Bevor über Nachrüst-Prämien für ältere Diesel diskutiert wird, müsse erst einmal geklärt werden, ob eine Nachrüstung überhaupt möglich ist, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Stuttgart - Die Zeit drängt. Vom kommenden Jahr an dürfen bei Feinstaub-Alarm in Stuttgart nur noch Dieselfahrzeuge fahren, wenn sie die Abgasnorm Euro 6 erfüllen – oder wenn sie eine Ausnahmegenehmigung erhalten haben. Es sei denn, die Industrie findet zügig einen Weg, ältere Fahrzeuge so umzurüsten, dass sie weniger Luftschadstoffe ausstoßen. „Die Nachrüstung ist schwierig, aber vielleicht auch nicht unmöglich“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Das könne dann auch Fahrverbote überflüssig machen.

 

Große Automobilfirmen haben eher von einer Nachrüstung ab, während Umweltschützer sich dafür aussprechen. Die Landesregierung sei mit den Herstellern im Gespräch, sagte Kretschmann. Die „Abwehrfront“ sei geringer als vor einigen Wochen. Bis Mai erwartet er erste Antworten darauf, ob und unter welchen Bedingungen ältere Fahrzeuge umgerüstet werden könnten. Erst dann könne man auch über Nachrüst-Prämien reden. Die hatte CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart am Montag vorgeschlagen.

Landes-Grüne sehen Industrie in der Pflicht

Besitzer älterer Dieselfahrzeuge sollten aus seiner Sicht eine staatliche Prämie erhalten, wenn sie diese umweltfreundlich nachrüsten. Er sei überzeugt davon, „dass die Tüftler und Ingenieure, die unser Land so erfolgreich gemacht haben, eine Möglichkeit finden werden“. Allerdings müsse die Umrüstung wirtschaftlich sein. Deshalb müsse der Bundesgesetzgeber „rasch und noch vor der Bundestagswahl“ die Voraussetzungen für die unbürokratische Zulassung von Nachrüstlösungen schaffen, forderte Reinhart.

Die baden-württembergischen Grünen halten sich bei steuerfinanzierten Prämien hingegen zurück. „Die Industrie ist in der Pflicht, Verantwortung für ihre Versäumnisse und Tricksereien zu übernehmen“, sagte der Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand. Die Autobranche sei gefragt, wenn es um die umweltfreundliche Nachrüstung älterer Diesel gehe, „sowohl was die technische Umsetzung anbelangt, als auch den finanziellen Ausgleich für die Fahrzeugbesitzer“. Hildenbrand stellt sich an die Seite der Bürger. „Es kann nicht sein, dass die Autofahrer die Gekniffenen sind, die sich vor kurzem und im guten Glauben ein Euro-5-Dieselfahrzeug gekauft haben.“

In der Bundesregierung sind Reinharts Vorschläge reserviert aufgenommen worden. Weder das Finanz- noch das Verkehrsministerium in Berlin wollten sich am Dienstag dazu äußern. In Regierungskreisen wurde die Einschätzung vertreten, es handele sich um ein spezifisch baden-württembergisches Problem. Die grün-schwarze Regierungskoalition in Stuttgart steht wegen der Ankündigung von Fahrverboten für die meisten Dieselfahrzeuge unter Druck. Aus Berliner Sicht kommt der Ruf nach staatlichen Prämien ohnehin zu früh. Da die Automobilindustrie noch keine technischen Lösungen für die Nachrüstung der Euro-5-Dieselfahrzeuge anbietet, stelle sich die Frage der Förderung nicht.

EU-Parlament will Kontrollen verschärfen

Die Autohersteller wollen in den nächsten Monaten entscheiden, ob Dieselautos mit Euro-5-Norm nachträglich verbessert werden können. Sie dämpfen allerdings die Hoffnung, dass ein Dieselauto mit Euro-5-Norm auf den neuesten Euro-6-Standard umgerüstet werden kein. Dafür sei der technische und finanzielle Aufwand zu groß.

Unterdessen hat das Europaparlament erste Weichen für eine Verschärfung der Regeln für die Zulassung und Überwachung von Automotoren gestellt. Die EU-Staaten sollen jährlich 20 Prozent der Fahrzeuge zu überprüfen, die im Vorjahr zugelassen wurden. Die Arbeit nationaler Prüfdienste und Behörden, die Fahrzeuge zulassen, sollen von der EU-Kommission beaufsichtigt werden. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Marktüberwachungsprogramme zur Genehmigung vorlegen. Geplant ist auch mehr Transparenz bei Abgastests. Geplant ist zudem, dass Autohersteller nationale Prüfstellen nicht mehr für ihre Dienste bezahlen. Für Autohersteller, die Abgastests manipulieren, sind Geldbußen von bis zu 30 000 Euro pro Fahrzeug vorgesehen.