Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 wird heftig diskutiert. Die Angriffe von CDU und FDP auf Grün-Rot einen die Landesregierung.  

Stuttgart - Für die einen ist die Volksabstimmung "ein historisches Ereignis", für die anderen "eine einzige Illusion und ein Täuschungsmanöver". So unterschiedlich kann die Wahrnehmung ein und desselben Ereignisses sein, wie die Landtagsdebatte über das auf den 27. November terminierte Referendum zu Stuttgart 21 am Donnerstag gezeigt hat.

 

Die einen - das ist zum Beispiel Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der das Wort ergriff, um für eine stilbildende Sachauseinandersetzung und eine hohe Wahlbeteiligung zu werben. "Erst dann hat die Abstimmung den Effekt, den wir von ihr erwarten, dass sie einen Schlusspunkt unter dieses hochumstrittene Thema setzt", sagte der Grünen-Politiker. Ähnlich argumentierte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Die Opposition habe nach einigem Hin und Her auf eine Klage gegen das Referendum verzichtet. Dann solle sie es aber auch nicht "Tag für Tag madigmachen".

Beide Seiten versuchten die Schwachpunkte zu treffen

Zuvor hatte die CDU-Abgeordnete Nicole Razavi den für sie unverständlichen Stimmzettel zum Anlass für harsche Kritik an der Landesregierung genommen. "Schlecht gemacht" sei der Stimmzettel jedoch nicht aus Unvermögen, sondern "mit purer Absicht und mit dem grünen System des Tricksens und Tarnens." Das Kalkül ziele darauf ab, die Wahlbeteiligung gering zu halten. Nur so könnten die Grünen "das Märchen von der mangelnden Zustimmung zu Stuttgart 21 weitererzählen." Ein These, die Innenminister Reinhold Gall (SPD) zurückwies. "Das ist albern." Die Fragestellung auf dem Stimmzettel ergebe sich aus der Verfassung. Es könne nur über den im Parlament abgelehnten Gesetzentwurf zur Kündigung der Finanzierungsverträge zu Stuttgart 21 abgestimmt werden. Eine freihändig formulierte Frage nach dem Muster: "Sind Sie für oder gegen Stuttgart 21?" sei nicht möglich.

Doch auch der FDP-Abgeordnete Ulrich Goll beharrte auf dem Vorwurf der Täuschung, die er gleich zweifach erkannte. Zum einen suggeriere die Volksabstimmung, dass die Finanzierungsvereinbarung gekündigt werden könne, was aber gar nicht der Falls sei. Zweitens erwecke die Regierung den Eindruck, es gehe um den Ausstieg aus dem Bahnprojekt, tatsächlich aber beziehe sich die Abstimmung lediglich auf den Ausstieg aus der Finanzierung. Letzteres bestritt auch SPD-Fraktionschef Schmiedel nicht. Für ihn ist aber klar: sollte das Referendum eine Kündigung der Finanzverträge verlangen, werde die Regierung dies vollziehen. "Dann bricht die Bahn das Projekt ab und klagt auf Schadenersatz." Die Bahn werde den Bau nicht "gegen den Willen des Gesetzes fortführen".

Schwachpunkte

Und so versuchten beide Seiten - Regierung und Opposition - einander an ihren Schwachpunkten zu treffen. Die CDU bemühte sich, den Ministerpräsidenten darauf festzulegen, bei einem Scheitern der Volksabstimmung die vertraglich festgelegte Projektförderpflicht zu erfüllen. Kretschmann beließ es jedoch dabei, ein weiteres Mal zu beteuern, dass ein Verfehlen des Zustimmungsquorums auch dann zum Scheitern des Kündigungsgesetzes führt, wenn eine Mehrheit für den Ausstieg aus Stuttgart 21 stimmt. Umgekehrt gelang es der CDU nicht, den Widerspruch aufzulösen, der darin besteht, dass sie einerseits die Volksabstimmung schlechtredet, andererseits aber die Befürworter von Stuttgart 21 dazu animieren will, am Referendum teilzunehmen und gegen die Kündigung zu stimmen.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke überraschte dann noch mit der Androhung einer Rücktrittsforderung an den Regierungschef. Es könne immer noch sein, dass am Ende ein Gericht feststellt, dass die Regierung mit dem Kündigungsgesetz "auf dem Holzweg" war. In diesem Fall erwarte die FDP, dass Kretschmann ebenso handle wie Willi Stächele. Der Parlamentspräsident war am Mittwoch zurückgetreten.