In Bad Säckingen steht ein 85-Jähriger vor Gericht, der bei einem Unfall zwei Menschen getötet hat. Der Prozess stellt auch die Frage, wann der richtige Zeitpunkt gekommen, den Führerschein abzugeben.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Es ist für die Opfer, ihre Angehörigen und auch den Unfallverursacher die Katastrophe schlechthin. Am 7. Mai vergangenen Jahres prescht um die Mittagszeit ein damals 84-Jähriger in seinem Automatikauto durch die Fußgängerzone von Bad Säckingen. Die Tische eines Straßencafés bremsen ihn. Zurückbleiben zwei Tote, elf Schwer- und acht Leichtverletzte. Von Dienstag an verhandelt das Amtsgericht Bad Säckingen gegen den heute 85-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt geht das Gericht nicht von einem technischen Defekt an dem Fahrzeug aus. Der Fahrer habe Gas- und Bremspedal verwechselt, mutmaßt das Gericht.

 

In Bad Säckingen wird das Schöffengericht in einem ganz konkreten Fall urteilen und keine Grundsatzfeststellungen über die Fahrtüchtigkeit von Senioren im Allgemeinen treffen. Aber parallel dazu wird die Diskussion darüber einsetzen, in welchem Alter Menschen ihren Führerschein abgeben sollten. Eine gesetzliche Regelung, die Fahrtauglichkeit zu überprüfen, gibt es in Deutschland anders als in anderen europäischen Ländern nicht.

Lässt sich Mobiltät demokratisieren?

Die Diskussion darüber, ob andere Formen der Fortbewegung Senioren länger mobil halten, wird weniger laut geführt, obwohl sie nicht minder zielführend sein könnte. Andreas Brozat, der Sprecher für Innovation und Digitalisierung bei der Volkswagen AG, spricht in diesem Zusammenhang von der Demokratisierung der individuellen Mobilität. Will sagen: Der Fortschritt eröffnet die Welt. Wenn sein Unternehmen in Potsdam im Future Lab ein Gefährt namens Sedric (Selfdriving car, also das selbstfahrende Auto) auf die Reise schickt, soll das allen Menschen mit eingeschränkten Mobilitätsmöglichkeiten zunutze kommen. Alte Menschen sind aus Sicht der Entwickler dabei nur eine Zielgruppe unter vielen. Dennoch könnten sie in einer Gesellschaft, in welcher der Anteil der Alten kontinuierlich zunimmt, zu der Gruppe gehören, die mit der Fortentwicklung des autonomen Fahrens einen großen Zugewinn an Lebensqualität erfährt.

Dabei sprechen die Unfallzahlen des Bundesamtes für Statistik gar nicht unbedingt gegen die Gruppe der Senioren. Danach verursachen junge Erwachsene nämlich deutlich häufiger Unfälle als die Generation der Über-65-Jährigen. 2015 war jeder fünfte Autofahrer, der einen Unfall mit Personenschaden verursachte, zwischen 18 und 24 Jahren, jeder 13. im Alter von 65 bis 74 Jahre und ebenfalls jeder 13. 75 Jahre oder älter. Bei Geschwindigkeitsdelikten sind die älteren Fahrer deutlich unterrepräsentiert. Sie machen eher Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren. Von den 2049 Menschen, die im Jahr 2015 durch Fehler von Pkw-Fahrern starben, starben 416 Menschen aufgrundeines Fahrfehlers eines jungen Erwachsenen, 275 Menschen durch den Fehler eines 75-Jährigen oder Älteren.