Acht Flüchtlinge wollen in der evangelischen Kirche eine neue Glaubensheimat finden. Teilweise übernimmt Landesbischof Frank Otfried July die Taufe in Stuttgart. Guter Grund zum Feiern oder übertriebene PR-Aktion? Ein Pro und Kontra.

Stuttgart - Auf zu neuen Ufern: Acht muslimische Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak wollen sich am Ostersonntag in Stuttgart taufen lassen. Württembergs evangelischer Landesbischof Frank Otfried July wird im Gottesdienst in der Stiftskirche, der um 10 Uhr beginnt, die Predigt halten und nach Angaben der Landeskirche selbst drei Taufen vornehmen. Die sieben Männer und eine Frau sind 20 bis 50 Jahre alt und leben momentan zum Teil im Großraum Stuttgart. Einige reisen aber auch aus anderen Regionen Baden-Württembergs an.

 

„An Ostern und mit dem Landesbischof – das ist schon ein Gütesiegel, das zeigt, dass wir alle dahinter stehen“, sagt Matthias Vosseler, der Pfarrer der Stuttgarter Stiftskirche. July hatte bei der Landessynode im März deutlich gemacht, dass Unsicherheit und Hilflosigkeit missionarisch nicht missbraucht werden dürften. Eine sorgfältige Taufvorbereitung und auch Taufgespräche seien nötig. „Wenn aber dies gelingt, dann ist Freude bei uns“, so der Landesbischof.

An den aufrichtigen Gründen für den Wechsel des Glaubens habe sie bei den Täuflingen keine Zweifel, sagt Heidi Josua, Pfarrersfrau und Mitglied der zur Stiftskirche gehörenden arabischen Gemeinde. „Viele haben schon in ihrer Heimat eine christliche Vorgeschichte“, berichtet sie. Ein Mann habe deswegen in Syrien sogar bereits anderthalb Jahre im Gefängnis gesessen.

Insgesamt wollen sich 25 Menschen taufen lassen

Zudem hätten sie vor rund einem Monat an einem Taufwochenende auf Arabisch teilgenommen. Viele könnten nicht gut genug Deutsch, um einen klassischen Taufvorbereitungskurs zu besuchen. Oft hätten sie auch ganz eigene Fragen. „Die erste ist meist, ob es erlaubt ist, Musik zu machen oder bestimmte Dinge zu essen. Dann erklären wir ihnen, dass sich diese Fragen im christlichen Kontext gar nicht stellen – und warum.“ So komme das Gespräch dann meist auf die christlichen Grundwerte. Rund 25 Teilnehmer hätten sich zuletzt für die Taufe entschieden. Die meisten jedoch wollten diesen Schritt in ihrer jeweiligen Heimatgemeinde gehen. „Viele haben ganz viel Blut und Gewalt im Namen einer Religion gesehen und suchen nach etwas anderem“, erklärt Heidi Josua. Nun würden sie hier in Deutschland ihre Möglichkeiten nutzen. „Sie können sich hier in aller Freiheit entscheiden“, sagt Pfarrer Vosseler.

Die Angst, was ihnen nach einer möglichen Rückkehr in ihre Heimat drohen könnte, treibe diese Menschen im Moment weniger um, so Josua. Die Sorge sei eher, wie sie als Konvertiten in den Flüchtlingsunterkünften und von ihren Familien aufgenommen würden. Es komme in den Heimen immer wieder vor, dass andersgläubige Bewohner dort zu bestimmten muslimischen Gebräuchen gedrängt würden, vor allem während der Fastenzeit Ramadan, berichtet sie.

Umso wichtiger sei es, mit der öffentlichen Taufe zu zeigen, dass die Kirche hinter diesen Menschen steht, betont Heidi Josua – man könne helfen, es bekanntzumachen und so zu helfen, dass es akzeptiert wird. Die Stiftskirche als Ort sei naheliegend, weil ihre arabische Gemeinde eben dazu gehöre. Und der Ostersonntag sei der traditionelle Tauftag. „Dass Landesbischof July dabei ist, ist ein Zeichen, das uns freut.“ (epd)

PRO – „Ein guter Grund zum Feiern“: Ein Kommentar von StZ-Redakteur Holger Gayer

In der Theorie ist die Taufe das wichtigste Ereignis im Leben eines Christen. Wer sie vollzieht, bekennt sich zu seinem Glauben. Und er bekundet, dass er Teil einer Gemeinschaft sein will. Deswegen ist der Empfang dieses Sakraments ein guter Grund zum Feiern – und zwar unabhängig davon, ob der Täufling zuvor an einen anderen oder an gar keinen Gott geglaubt hat. Entscheidend ist, dass sein Votum für Jesus Christus freiwillig erfolgt.

In der Praxis aber haben viele aufgeklärte Christen verständlicherweise ein ambivalentes Verhältnis zu ihrer Kirche. Die Geschichte lehrt, dass der in der Bibel verankerte Missionsbefehl oft missbraucht wurde und im Namen des Kreuzes Kriege geführt wurden.

Auch heute noch kennt das Christentum Fundamentalisten, deren Werte eher dem Mittelalter entstammen als einer toleranten Gesellschaft mit demokratischen Strukturen. Doch die Christen können diese Konflikte inzwischen aushalten. Denn im 21. Jahrhundert ist das Bekenntnis zu Gott keinesfalls gleichzusetzen mit einem Kadavergehorsam zur Kirche. Daraus aber abzuleiten, dass gerade jetzt Zurückhaltung angezeigt sei, weil der sogenannte Islamische Staat seinen Terror über die Menschen bringt, geht fehl. Deutschland ist, bei aller Integrationskraft, ein christlich geprägtes Land. Da darf die Taufe gefeiert werden und die Kirche sich öffentlich über neue Gemeindeglieder freuen – auch wenn diese zuvor Muslime waren.

KONTRA – „Mehr Zurückhaltung, bitte“: Ein Kommentar von StZ-Redakteur Christian Milankovic

Damit von Anfang an keine Missverständnisse entstehen: es ist vollkommen legitim, dass die evangelische Kirche Muslime durch Taufe in ihre Gemeinschaft aufnimmt, wenn es deren erklärter Wunsch ist. Was am vorliegenden Fall sauer aufstößt, ist der offensive Umgang mit dem höchst privaten Akt der Taufe. Die Protestanten setzen sich unnötig dem Verdacht aus, den Zuwachs in ihren Reihen durch vormalige Muslime als Erfolgsmeldung zu deuten.

In Zeiten, in denen interessierte Kreise einen christlich-muslimischen Kulturkampf heraufziehen sehen wollen, ist die durch die Protestanten hergestellte Öffentlichkeit kontraproduktiv. Was hätte denn dagegen gesprochen, den Akt – auch durch Landesbischof Frank Otfried July – in aller Stille im Gottesdienst zu vollziehen? So wie er über Ostern vielfach in den beiden christlichen Kirchen stattfindet, ohne dass daraus ein öffentlicher Vorgang gemacht wird – wozu auch? Weniger wohlwollende Zeitgenossen könnten sich durch das Verhalten der evangelischen Kirche provoziert fühlen.

Auch in einem christlich grundierten Land, das Deutschland trotz des unverkennbaren Bedeutungsverlusts der Kirchen weiterhin ist, stünde den Kirchen eine Zurückhaltung und Demut gut zu Gesicht. Es geht nicht darum, die christliche Tradition zu negieren – man muss sie im Umkehrschluss aber auch nicht wie eine Monstranz vor sich hertragen.