Im Stuttgarter Rathaus haben zahlreiche Umweltverbände mit OB Fritz Kuhn dessen Energiekonzept diskutiert. Dabei sparten sie nicht mit Kritik. Ob ihre zahlreichen Vorschläge bei der Energiewende berücksichtigt werden, ist noch unklar.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Fünf Monate sind vergangen, seit OB Fritz Kuhn (Grüne) sein Energiekonzept vorgestellt hat, das er ausdrücklich als Entwurf bezeichnet hatte, weil er es mit Bürgern, Forschungseinrichtungen und Unternehmen breit diskutieren wollte. Doch zumindest öffentlich ist seither nicht viel passiert – am Dienstag nun diskutierte der OB erstmals sein Papier mit etwa einem Dutzend Bürgerinitiativen und Umweltgruppen.

 

Deren Einschätzung war allerdings nicht unbedingt immer nach dem Gusto Kuhns: Im Vergleich etwa mit München sei Stuttgart in eklatanter Weise im Hintertreffen, sagte Manfred Niess vom Klima- und Umweltbündnis; er sprach für zehn der anwesenden Gruppen. Die Stadtwerke München produzierten so viel grünen Strom, dass alle Haushalte und der Nahverkehr versorgt werden könnten, sagte Manfred Niess – in Stuttgart können mit den vier Windparks der Stadtwerke erst 50 000 Haushalte mit Strom beliefert werden.

Zehn grundsätzliche Maßnahmen schlugen die zehn Verbände vor, zu denen auch der BUND, der Verein Kommunale Stadtwerke oder der Verkehrsclub Deutschland gehören. Sie wünschen sich als erstes, dass es einen zentralen Akteur der Energiewende in Stuttgart gebe, und das sollen die Stadtwerke sein. Dazu müssten diese aber mehr Kompetenzen erhalten. Daneben müsse Stuttgart die große Vision einer „klimaneutralen Industriestadt“ entwickeln, um so in der Bevölkerung eine Aufbruchsstimmung entstehen zu lassen.

Mehr Blockheizkraftwerke gefordert

Als einen zentralen Punkt sehen die Umweltverbände den starken Ausbau von Blockheizkraftwerken – diese produzieren Strom und zugleich Wärme und sind sehr effizient. Um den Rückstand in Stuttgart auch nur einigermaßen aufzuholen, müssten jährlich weit mehr als 100 Anlagen in Betrieb gehen, heißt es im Papier der Umweltverbände. Michael Maxelon, der Geschäftsführer der Stadtwerke Stuttgart, sagte vor einiger Zeit aber, sein Unternehmen wäre froh, wenn es schon 20 Anlagen pro Jahr installieren könne.

Einig waren sich Fritz Kuhn und die Verbände, dass der Wärmebereich sehr wichtig ist und bisher eher unterschätzt wurde. Die Hälfte der verbrauchten Energie ist Prozess- und Raumwärme; sie spielt deshalb eine große Rolle bei der Energiewende. Einfluss auf das Fernwärmenetz in Stuttgart hat die Stadt aber bisher nicht, was die Bürger – und explizit auch Fritz Kuhn – sehr bedauern. In diesem Zusammenhang ließ bei den Bürgerinitiativen die Nachricht aufhorchen, dass die EnBW das Heizkraftwerk in Gaisburg erneuern und von Kohle auf Gas umstellen will; damit dokumentiert sie auch ihren weiteren Anspruch auf das Stuttgarter Fernwärmenetz, obwohl umstritten ist, ob die EnBW ein „Ewigkeitsrecht“ darauf hat. Die Stadtwerke müssten das Wärmenetz übernehmen, lautete die Forderung. Wie zu hören war, hat die EnBW wegen Gaisburg sogar das Gespräch mit den Stadtwerken gesucht, aber die hätten abgewinkt. Solange unklar sei, wer künftig das Wärmenetz betreibe, sei eine Beteiligung kein Thema.

Kuhn soll sich für das Fernwärmenetz einsetzen

Barbara Kern vom Wasserforum Stuttgart forderte Kuhn auf, um das Fernwärmenetz zu kämpfen. Dann könne die Stadt selbst entscheiden, dass die Wärme irgendwann nicht mehr mit Kohle produziert wird, sondern mit erneuerbarer Energie. Daneben betonten mehrere Redner, dass Unternehmen die Abwärme ihrer Industrieanlagen, die bisher einfach verpuffe, besser nutzten.

Kritisiert wurde von Frank Schweizer (Stuttgart Solar) zudem, dass bisher viel zu wenige Schulen mit Fotovoltaikanlagen bestückt worden seien – es seien nicht einmal zehn Prozent. Dabei müsse man die Energiewende in Stuttgart doch nicht mehr erfinden: „Wir müssen sie einfach umsetzen.“ Man müsse beim Tempo endlich zulegen. Joseph Michl vom Landesnaturschutzverband wurde deutlicher: „Man hat in Stuttgart viele Jahre einfach verschlafen.“

Stuttgart sei nicht mit München vergleichbar, sagt der OB

Fritz Kuhn betonte in der Debatte, dass die Stadtwerke natürlich ein wesentlicher Träger der Energiewende seien. Die Stadtwerke seien aber noch im Aufbau, so Kuhn, und seien nicht mit München oder Tübingen zu vergleichen. Jürgen Görres, der das bisherige Energiekonzept maßgeblich verfasst hat, stellte einige Projekte vor, die derzeit in der Stadt umgesetzt werden. Er betonte, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht immer so seien, dass sich Blockheizkraftwerke und Fotovoltaikanlagen rechneten. Das mache die Sache manchmal schwierig.

Das Gespräch, bei dem von Seiten der Stadt vier Mitarbeiter des städtischen Amtes für Umweltschutz anwesend waren, hat in einem guten Klima stattgefunden und war von großer Sachlichkeit und Kompetenz geprägt. Was nun aber mit den Vorschlägen der Umweltverbände geschieht, das blieb am Ende des Gesprächs offen. Kuhn sagte, dass man bereits mit Forschungsinstituten, der Wirtschaft und auch den Stadtwerken gesprochen und Vorschläge gesammelt habe – dies geschehe auch mit den Ideen der Umweltverbände. Welche aber in das Konzept einfließen, konnte Kuhn noch nicht sagen.

Wann das Energiekonzept in seiner endgültigen Form vorliegen wird, teilte Fritz Kuhn am Dienstag nicht mit.