Die Gegner von Stuttgart 21 haben die OB-Kandidaten Fritz Kuhn und Hannes Rockenbauch zum Streitgespräch geladen. Beide glauben, das Bahnprojekt sei noch zu stoppen. Nur ihre Mittel sind verschieden.

Stuttgart - Eine dreiviertel Stunde war das Streitgespräch zwischen den beiden Stuttgart-21-Kritikern und OB-Kandidaten am Montagabend im Gewerkschaftshaus alt, als Hannes Rockenbauch (SÖS) aussprach, worauf viele der 500 Projektgegner im Saal gewartet hatten: Die Grünen in der Landesregierung hätten den Widerstand gegen die Tieferlegung des Bahnhofs nur eingestellt, um sich Macht und Pöstchen zu sichern. Ministerpräsident Winfried Kretschmann knicke vor dem Koalitionspartner SPD ein und habe die Bewegung verraten. Die Grünen, so auch das Fazit in seinen „Denkzetteln“ zum Wahlkampf, seien folglich auch nicht besser als CDU und SPD. Ein Wahlsieg sei deshalb auch ihnen nicht zu gönnen.

 

Das traf seinen Kontrahenten auf dem Podium, Fritz Kuhn, besonders hart, obwohl der im Bundestag sitzt und nicht im Landtag. Aber er will in Stuttgart Oberbürgermeister werden, und wenn er sich eines nicht leisten will und kann, dann als S 21-Gegner der ersten Stunde von der protestierenden Menge als einer angesehen zu werden, der nicht besser wäre als der CDU-Bewerber Sebastian Turner oder die SPD-Bewerberin Bettina Wilhelm, die lediglich ankündigten, den Bau von Stuttgart 21 kritisch begleiten zu wollen, ansonsten aber Befürworter sind.

Kuhn kämpft wie ein Löwe

Kuhn wehrt sich, wie ein „Pro’ler“ behandelt zu werden, nur weil manch einflussreicher Parteifreund nach der verlorenen Volksabstimmung den Eindruck erweckt, S 21 müsse man jetzt einfach ertragen. Also kämpft er auf dem Podium wie ein Löwe für seinen Standpunkt und erwehrt sich der Verbalattacken von Hannes Rockenbauch; mitunter sogar so energisch, dass der respektlose Widersacher aus dem selben Protestlager glaubt, ihn vor einem „Herzkasper“ warnen zu müssen. Die Fronten waren vor dem Streitgespräch klar – und auch danach: Der mit reellen Siegchancen ausgestattete Fritz Kuhn sieht sich „als einer von 61 im Gemeinderat“ außerstande, den Projektgegnern mehr zu versprechen, als dass er nach einem Wahlsieg darauf dringen würde, klare Antworten auf die Fragen nach den wahren Kosten und der Leistungsfähigkeit des „Schönwetterbahnhofs“ zu erhalten.

Für ihn ist der Kostendeckel nämlich „längst gerissen“. Er sagt auch zu, dort, wo der OB und die Stadt direkten Einfluss auf die Verfahren hätten, also etwa beim Thema Grund- und Mineralwasserschutz, der Bahn die Daumenschrauben anzulegen. Außerdem müssten die in der Schlichtung versprochenen Verbesserungen, vor allem beim Brandschutz, kommen. Das Versprechen aber, selbst gegen satte Zwei-Drittel-Mehrheiten in den Parlamenten S 21 im Handstreich zu beenden, könne er nicht geben, räumte Kuhn ein. Der Moderator der Aktionsbündnis-Veranstaltung, Ex-Richter Christoph Strecker, kam zum Schluss: Zwei Protagonisten beschreiten unterschiedliche Wege. Kuhn wolle einfordern, Rockenbauch gar nicht erst bauen.

Rockenbauch will Verträge prüfen lassen

Der SÖS-Bewerber kündigte in der Tat an, alle Verträge auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen, ebenso die Mischfinanzierung und den vom Gemeinderat beschlossenen Zinsverzicht von 212 Millionen Euro. Außerdem würde er die Stadtverwaltung „von der Leine lassen“, um S 21 zu prüfen. Ein anderes Mal versprach Rockenbauch sogar ein jähes Projektende: Würde er gewählt, wäre das ein so starkes politisches Signal, dass die Bahn von sich aus auf die Fortsetzung verzichten würde. Er läuft allerdings nicht Gefahr, all seine Versprechen je in die Tat umsetzen zu müssen. Ein Achtungserfolg im niedrigen zweistelligen Bereich wurde ihm bisher aber zugetraut.Der Flurschaden, der damit bei den Grünen und in der Gegnerbewegung angerichtet würde, wäre groß, warnte Kuhn: „Wenn Turner oder Wilhelm“ an der Spitze wären, ändert sich gar nix.“ Der Grünen-Bewerber warb deshalb um die Stimmen der Projektgegner bereits im ersten Wahlgang. Seinen Mitstreiter mochte er nicht mehr ernst nehmen: Rockenbauch sei blauäugig, wenn er glaube, als Oberbürgermeister alle möglichen Klagen gegen Stuttgart 21 anstrengen, im Lenkungskreis munter sein Veto einlegen und einen unkontrollierten Ausstieg initiieren zu können. „Das würde der Gemeinderat verhindern.“