Heiko Stobinski schreibt auf, was aus seiner Sicht in der Göppinger Innenstadt schiefläuft – und macht sich damit bei Kommunalpolitikern und Würdenträgern wenig Freunde.

Göppingen - Abriss“ und „Wir ziehen um“ beziehungsweise „Wir schließen“ steht auf Zetteln in den Schaufenstern des Kosmetikers und des Schuhladens in der Schützenstraße 17. „Die reißet älles ab“, murmelt eine Passantin, ihre Begleiterin bezeugt kopfschüttelnd ihr Missfallen.

 

„Die Abriss-Orgie geht weiter“, titelt Heiko Stobinski in seinem Facebook-Blog Forum Göppingen. Die Städtische Wohnbau hat das Nachbargebäude Nummer 19 abgerissen und dort einen Schotterparkplatz für Firmen eingerichtet, die an der Neugestaltung des Apostelareals beteiligt sind. Im Herbst soll die Nummer 17 fallen. Wenn der Parkplatz nicht mehr gebraucht wird, will die Wohnbau auf den Grundstücken bis zu 24 Wohnungen bauen.

Mit Stobinski wollen viele Stadträte lieber nichts zu tun haben

In Göppingen, so findet der 43-jährige Stobinski, der am Mörike-Gymnasium Gemeinschaftskunde unterrichtet, herrsche „Abreißeritis“. Es werde einerseits viel Geld in Untersuchungen investiert, um herauszufinden, wie man der Stadt so etwas wie eine Identität verschaffen könne. „Und auf der anderen Seite reißt man viele Gebäude in der Innenstadt ab, die genau diese Identität stiften könnten“, bemängelt er.

Mit dieser Kritik steht Stobinski nicht alleine da. Grüne und SPD schimpfen immer wieder über die Städtische Wohnbau und haben oft gefordert, mehr alte Gebäude zu erhalten – man denke nur an den Streit über die Zukunft des Hotels Apostel. Doch wenn der Name Stobinski fällt, winken die meisten Kommunalpolitiker ab. Es sei gut, wenn Bürger sich engagierten, sagen viele. Aber speziell mit Stobinski wollen sich die meisten nicht weiter beschäftigen. Er sei ein Querulant.

Der SPD-Chef Armin Roos verweist auf die vielen Gesprächsrunden, die die Parteien und das Rathaus zum Thema Innenstadt veranstalteten. Für Montag etwa lädt die SPD zu einem Spaziergang zu den großen Baustellen in der Innenstadt samt Diskussion zum Thema bezahlbarer Wohnraum mit dem Baubürgermeister Helmut Renftle ein, der um 19 Uhr am Schillerplatz beginnt.

Stobinski kritisiert „seltsame Sprachlosigkeit“

Einige Grüne und SPD-Mitglieder kennen Stobinski persönlich, weil er vor Jahren einmal für die einen und einmal für die anderen für den Gemeinderat kandidierte. Viele Stadträte kennen aber nur seine geharnischten Leserbriefe in der Lokalzeitung und manche seinen Blog.

Der CDU-Chef Felix Gerber drückt es so aus: „Wenn irgendwo Stobinski drunter steht, lese ich das gar nicht mehr.“ Der 43-Jährige habe vielleicht mit manchem Recht, „aber ich lehne seine Schuldzuweisungen ab.“ Da würde er sogar lieber „mit dem Stähle ein Bier trinken gehen. “ Nicht nur dem Konservativen ist der Vorzeige-Querulant der Linken im Gemeinderat lieber als der Bürger, der sich für die Erhaltung der Innenstadt engagiert.

„Schade“, findet Stobinski. In der Stadt herrsche eine seltsame Sprachlosigkeit, es fehle an Gemeinschaftsgefühl und der Bereitschaft zu diskutieren. Das kreidet er auch dem Oberbürgermeister Guido Till an, der dazu neige Kritiker als Feinde zu betrachten, statt mit ihnen zu sprechen.

Statt dem Spielzeugmuseum kommt ein neuer Verwaltungsbau

„Viele Themen werden kaum mit den Bürgern diskutiert, und wenn doch, gilt als Querulant, wer nicht allem zustimmt“, findet Stobinski. Nach Enttäuschungen im Gemeinderat und in Bürgerforen hat er mit dem Bloggen begonnen. Davor hatte er sich – anfangs gemeinsam mit den Grünen – für ein Spielwarenmuseum am neuen Bahnhofsplatz mit Märklin als Aushängeschild stark gemacht. Dort entsteht nun stattdessen das Rathaus II, Märklin baut auf seinem Firmengelände ein eigenes Museum.

Zurzeit unterzieht der Lehrer, der unter anderem Wirtschaftsgeografie studiert hat, die Innenstadt einem Check. Stobinski hat auf eigene Faust ermittelt, wie viele Läden leer stehen, wie sich die Lage und die Öffnungszeiten auswirken und wie es um den Branchenmix bestellt ist.

Stadt will sich nicht zu Blog äußern

Sein Fazit: vieles sei gar nicht so schlecht. Doch wie viele andere Kritiker befürchtet er, dass gerade die schmucken kleinen Einzelhändler im Bereich der Kellereistraße und in den Nebenstraßen leiden müssen, wenn das neue Einkaufszentrum 2019 eröffnet, das Zentrum Untere Marktstraße aufmacht und Teile der Stadtverwaltung in den Neubau am Bahnhof ziehen.

„Der Stadt fehlt ein Gesamtkonzept für den innerstädtischen Handel“, ist Stobinskis Credo. Davon bringen ihn auch Verbesserungen wie die Neugestaltung des mittlerweile sehr beliebten Schlossplatzes nicht ab. Er spricht von „einzelnen guten Entwicklungen“. Das Innenstadtkonzept der Stadt, das sich auch mit erhaltenswerten historischen Gebäuden in der Altstadt befasst, hält er für ein Alibikonzept, das alle anderen Gebäude zum Abriss freigebe.

Im Rathaus will man sich nicht zu Stobinskis Blog äußern. Zu seinen Leserbriefen sagt der Stadtsprecher Olaf Hinrichsen, sie seien „äußert robust geschrieben, oftmals kann man den Eindruck bekommen, dass sie sogar beleidigend sind.“ Die Intention seines Blogs habe sich der Verwaltung „leider nicht erschlossen“, weshalb man lieber keinen Kommentar abgebe. Der Blog findet sich im Internet unter www.facebook.com/forumgp.