Wie ist das, wenn man in einem neuen Land landet und versucht, sich einzuleben? Beim Diskussionsabend „Junge Stimmen“ erzählen am Freitagabend vier nach Waiblingen zugewanderte Familien aus Europa von ihren Erlebnissen.

Waiblingen - Ich fühle mich sehr oft wie ein Vogel ohne Flügel“, sagt Snezana Baotic. Vor zwei Jahren ist die 41-jährige Lehrerin mit ihrer Familie aus Bosnien-Herzegowina nach Waiblingen gekommen. Ihr Deutsch ist schon gut, aber natürlich kann sie sich nicht so ausdrücken wie in ihrer Muttersprache Kroatisch. Das ist manchmal frustrierend, umso mehr als Snezana Baotic ein Faible für Worte hat und Gedichte schreibt. „Früher habe ich Kinder unterrichtet, jetzt muss ich von kleinen Kindern lernen, denn ich arbeite als Erzieherin in einem Kindergarten“, sagt sie und lächelt.

 

Snezana Baotic und ihr Mann Pero, der eine Ausbildung zum Pastoralreferenten absolviert, sind nur ein Beispiel für Menschen, die es gewagt haben, in einem anderen Land von vorne anzufangen. Welche Erfahrungen, Erlebnisse und Herausforderungen solch ein Neustart mit sich bringt, darum dreht sich die Veranstaltung „Junge Stimmen“ am Freitag, 24. November. Von 19 Uhr an kommen dabei im Waiblinger Forum Mitte Familien aus Rumänien, Kroatien und Spanien sowie aus Griechenland zu Wort. Die Moderation übernimmt Brigitta Szabo, die beim Kulturamt arbeitet und vor fünf Jahren aus Ungarn hierher gezogen ist. Auch alle Interviewten sind in der jüngeren Vergangenheit nach Deutschland übergesiedelt – zum Beispiel, weil sie näher bei Verwandten sein wollten oder sich bessere Zukunftschancen erhoffen.

An Zuwanderer aus Europa denkt kaum jemand

Diese Zuwanderer aus Europa würden angesichts der Asylthematik ein bisschen vernachlässigt, sagt Vesna Juric vom Waiblinger Integrationsrat, deren Idee die Veranstaltung war. Sie selbst lebt seit 23 Jahren im Remstal und weiß noch, was ihr als Neuankömmling besonders aufgefallen ist: Dass die Deutschen so schnell essen – und das oft nebenher, im Stehen oder Gehen. „Diese Imbissbuden gibt es bei uns zu Hause nicht“, sagt die 48-Jährige.

„Wir hatten durch die Medien eine Idee, wie es hier läuft“, sagt Daniela Dan. Die 39-Jährige hat schon zwei Mal neu angefangen: als 20-Jährige wanderte sie von Rumänien nach Spanien aus, vor fünf Jahren kam sie mit ihrem Mann und dem siebenjährigen Sohn nach Waiblingen, um näher bei ihrer Cousine zu sein. „Alle drei konnten wir kein Deutsch. Mein Sohn hat es in der internationalen Klasse der Stauferschule sehr schnell gelernt, aber wir als Eltern hatten Probleme. Ich brauchte immer jemanden, der mir übersetzt.“ Ein Glück, dass Verwandte, aber auch Nachbarn und Freunde halfen. Heute arbeitet Daniela Dan in ihrem erlernten Beruf Erzieherin: „Ich dachte, bis mein Diplom anerkannt wird, dauert es viele Jahre, aber da ich EU-Bürgerin bin, ging alles recht schnell.“

„Gastarbeiter“ kamen mit „Fünf-Jahres-Plan“

„Die Menschen, die nun kommen, tun das bewusst und um zu bleiben“, macht Ute Ortolf von der Integrationsförderung der Stadt Waiblingen den Unterschied deutlich zu den „Gastarbeitern“, die in früheren Jahrzehnten kamen. „Die Migranten damals kamen mit einem Fünf-Jahres-Plan“, bestätigt Dimitrios Giannadakis, der Vorsitzende des Integrationsrats. Auch seine Eltern. Die ersten zwei Jahre habe man die Schulden abgezahlt, die nächsten zwei das Geld für einen Traktor angespart und ein weiteres darauf verwendet, das nötige Geld für den Hausrat anzusammeln.

Manches aber haben die Gastarbeiter der ersten Stunde und die heutigen Einwanderer gemeinsam. „Wir mussten erst herausfinden, wie die Leute ticken. Es war anfangs schwierig, unser neues Leben zu organisieren“, sagt Pero Baotic. Dank Hilfe der Verwandten hätten er und seine Frau und die zwei Söhne sich gut zurechtgefunden. „Es gibt aber auch viele, die leiden – jede Geschichte ist anders.“

Ein Abend mit vier Familien

Veranstaltung
Der Diskussionsabend „Junge Stimmen“ mit Familien aus Rumänien, Kroatien, Spanien und Griechenland am 24. November beginnt um 19 Uhr im Forum Mitte, Blumenstraße 11, in Waiblingen. Der Eintritt ist frei.

Programm
Die von Brigitta Szábo moderierte Gesprächsrunde dauert etwa anderthalb Stunden. Danach lädt der Integrationsrat zu einem Imbiss ein. Dabei gibt es Gelegenheit zu Gesprächen und zum Netzwerken.