Computer verändern die Arbeitswelt enorm. Das liegt auch daran, dass Maschinen immer mehr können. Bei einem Wirtschaftskongress der „Süddeutschen Zeitung“ in Berlin haben Experten darüber diskutiert.

Berlin - Es gibt Modebegriffe, die uralt sind. Die Künstliche Intelligenz gehört offenbar in diese Kategorie. Denn der Science-Fiction-Film „2002 – Odyssee im Weltraum“, in dem der Computer „HAL“ die Besatzung eines Raumschiffs umbringt, um zu verhindern, dass er abgeschaltet wird, stammt aus dem Jahr 1968. „HAL“ hat die Künstliche Intelligenz popularisiert und seitdem immer wieder die Fantasie der Menschen angeregt. Auch jetzt, im Jahr 2016, stellt sich wieder die Frage, ob die Künstliche Intelligenz „das nächste große Ding“ wird.

 

Darüber haben Experten bei einem Wirtschaftskongress der „Süddeutschen Zeitung“ in Berlin diskutiert – und zunächst einmal genervt auf den aktuellen Hype um die Künstliche Intelligenz reagiert. Nach Ansicht von Vishal Sikka, einst bei SAP und jetzt Chef des IT-Beraters Infosys, und Hans-Christian Boos, Gründer des Unternehmens Arago, hat der gegenwärtige Stand der Arbeit an der Künstlichen Intelligenz nichts mit „Silizium-Menschen“ (Markus Gabriel, Philosophie-Professor in Bonn) zu tun. Nach Ansicht von Gabriel wird es dazu im Übrigen nie kommen, der Mensch werde stets die „allgemeinste Form von Intelligenz“ bleiben.

Was geschieht, wenn die Maschinen die Jobs übernehmen?

Dafür zeichnet sich etwas anderes ab, was nichts mit Science Fiction zu tun hat: Computer und computergesteuerte Maschinen ersetzen immer mehr die menschliche Arbeitskraft und machen die Leute womöglich arbeitslos. Grund dafür ist nach Ansicht von Sikka, dass die Computerleistung im Laufe der Zeit dramatisch zugenommen hat und damit neue Anwendungen ermöglicht. Auf die zweite entscheidende Veränderung hat Thorsten Dirks, Chef von Telefonica Deutschland, bei einer anderen Diskussionsrunde im Rahmen des Kongresses hingewiesen: den Trend zu Big Data, der Flut immer größer werdender Datenmengen, die verarbeitet werden müssen und können. Trotz der damit möglichen Beschäftigungsprobleme sieht Sikka den Trend zur Nutzung der Künstlichen Intelligenz keineswegs negativ: „Das befreit die Menschen von Routinearbeit, sodass sie sich mit kreativen Themen auseinandersetzen können.“

Moderator Joachim Dorfs, Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, wollte aber doch genauer wissen, was geschieht, wenn die Maschinen die Jobs übernehmen. Yvonne Hofstetter, die den Datenspezialisten Teramark Technologies leitet und mit einem Buch über die Gefahren moderner Technologien Aufsehen erregt hat („Sie wissen alles“), kennt aus eigener Anschauung Beispiele – zum Beispiel den Händlersaal einer Großbank in Connecticut in den USA, in dem vor Jahren noch 1000 Mitarbeiter tätig waren und der mittlerweile menschenleer ist.

Verschiebung weg von der Arbeit hin zum Kapital

Dass die traditionellen Parkettbörsen mittlerweile vielfach durch Computerbörsen ersetzt sind, ist für sie ein weiteres Beispiel. Sikkas Hinweis auf die Möglichkeit zur Entfaltung von Kreativität hält sie nüchtern entgegen: „Es gibt nun einmal Menschen, die gerne einfache Jobs machen.“ Da sieht Hans-Christian Boos einen Ausweg: „Die Maschinisierung von Dienstleistungen wird rückläufig sein. Menschen wollen von Menschen bedient werden.“

Moderator Dorfs erinnerte die Runde daran, dass im amerikanischen Silicon Valley verstärkt über das Thema Bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert wird – als Reaktion darauf, dass künftig womöglich nicht mehr genug Arbeit da ist, um den Menschen das nötige Einkommen zu verschaffen. Das stieß in der Runde keineswegs auf Widerspruch. So glaubt Boos, dass das Bedingungslose Grundeinkommen kommen muss, auch wenn er sich nicht als Anhänger der Idee versteht. Aus Sicht von Yvonne Hofstetter findet grundsätzlich eine Verschiebung in der Wirtschaft weg von der Arbeit hin zum Kapital statt. „Das verändert alles, und wir müssen alles neu denken“, sagte sie. Als Beispiele nannte sie eine stärker Besteuerung des Kapitals verbunden mit einer Entlastung der Arbeitseinkommen.