Jörg Becker hat sie alle fotografiert, Musiker wie Miles Davis, Duke Ellington, Peter Herbolzheimer. Erstmals zeigt er seine Arbeiten in der Stadt, in der lebt. Dabei wird nebenbei eine Facette seiner Persönlichkeit offenbar, die im Ort wohl wenige kennen.

Ditzingen - Stillstand ist Jörg Beckers Sache nicht, auch wenn der Fotograf den Augenblick festhalten will. Diesen einen Moment, der ein ganzes Konzert abbildet, eine Stimmung einfängt und die in der Fotografie Jazzmusik erklingen lässt, obwohl es sich dabei nicht um Tonträger handelt. Eberhard Weber etwa, den Bassisten, den er 1994 im Ludwigsburger Forum aufnahm, wie dieser mit geschlossenen Augen, nahezu kontemplativ und doch voller Energie die Saiten zupft. Oder Milt Bruckner, der lachend seiner Lebensfreude am Klavier dadurch Ausdruck verlieh, dass es ihn nicht auf dem Stuhl hält.

 

Die Städtische Galerie wird von morgen an zum Klangraum. Jörg Becker zeigt 50 Fotografien. Er stellt sie erstmals in dieser Galerie aus. Auch wenn er einige davon schon einmal vor vielen Jahren in Schöckingen gezeigt hat, ist er in der Stadt doch weniger als Fotograf bekannt denn als Regionalrat, der für die Grünen Politik macht, Mitverantwortlicher der KZ Gedenkstätte Vaihingen/ Enz ist und viele Jahre als Lehrer an der Realschule unterrichtete. Dass die Fotografien des heute 65-Jährigen in Büchern veröffentlicht, als Kalender gedruckt, in Zeitungen abgebildet und bundesweit in Ausstellungen gezeigt werden, ist ebenso wenigen bekannt wie die Tatsache, dass Becker bereits seit mehreren Jahrzehnten mit der ältesten deutschen Jazzzeitung, dem Jazzpodium, kooperiert. Und dass ihn mit Wolfgang Dauner eine Freundschaft verbindet.

Der Ditzinger Oberbürgermeister Michael Makurath sieht Beckers Wirken wohl. Von derlei vielfältig Engagierten „gehen stets auch belebende Impulse für das kulturelle Leben der Stadt aus und bereichern dieses“. Zudem leisteten Menschen wie Becker durch ihre Werke und die Verbundenheit mit ihrem Wohnort einen wichtigen Beitrag dazu, den Namen und das Image einer kulturfreundlichen Stadt bekannter zu machen.

Becker, der Ditzinger Kulturpreisträger, macht darum kein Aufhebens. Wenn er erzählt, vom Stuttgarter Jazzkeller in den 1960er Jahren, der Dixielandhall der 1970er Jahre, dann spricht der leidenschaftliche Fotograf, der den Jazz nicht nur als Musik wahrnimmt. „In der Improvisation entwickelt sich immer auch Neues.“ Die Musik nehme Einfluss auf die Kultur, durch sie werde auch ein neues Bewusstsein geschaffen. Deshalb ist die Musik für ihn ein Bekenntnis: „Sie ist für mich auch politisch.“

Doch letztlich sei es gleichgültig, welche Stilrichtung erklinge. Denn bei ausdrucksstarker Musik gebe es eine Spannkraft, eine Korrespondenz des Musikers mit dem Instrument, den anderen Musikern, dem Publikum. All das lasse sich im Bild festhalten – auch wenn am Ende nur wenige Motive aus dem Konzert bleiben, die Becker für gut befindet. Die Energie abzubilden, das ist Beckers Anspruch. Dabei lässt er sich auf jeden ein. Es gebe keinen Musiker, den er am liebsten fotografiere, etwa weil er am ausdrucksstärksten und deshalb am einfachsten zu fotografieren sei. „Diese Frage stellt sich nicht“, sagt der gebürtige Berliner. Aber er habe „große Probleme, Leute zu fotografieren, die nicht spielen können“ – da fehle die Spannung. So gern Becker Musiker in emotionalen Momenten fotografiert, so wenig führt er sie vor. Dem Musiker kann der Schweiß auf der Stirn stehen, die Mimik ungewöhnlich sein, niemals ist er dabei würdelos. Dabei bekommen die Fotografierten nicht mit, wenn Becker auf den Auslöser drückt. „Lieber fotografiere ich nicht, bevor ich störe.“

Seine fotografischen Grundlagen legte Becker in einer Lehre als Fotokaufmann. Nach einem Studium arbeitet Becker dann als Pädagoge. Seinen ersten großen Erfolg als Fotograf hatte er 1969 mit der Aufnahme von Milt Buckner.

In den vergangenen Jahren fotografiert Becker zunehmend in Farbe. Auch diese Aufnahmen sind nun zu sehen, auch sie ein Zeugnis des leidenschaftlichen Fotografen. „Für das, was ich gemacht habe aus Leidenschaft, muss man ein Idiot sein.“