Ein 34-jähriger Bäcker muss sich wegen eines Messerangriffs auf seinen Kollegen in einer Ditzinger Backstube vor dem Landgericht verantworten. Die Ansichten über die Schwere der Tat, bei der der 22-Jährige vier Stiche in den Bauch bekam, gehen in den Plädoyers weit auseinander.

Ditzingen - Es steht für das Stuttgarter Landgericht fest, dass ein 34-jähriger Bäcker am Morgen des 6. Februar einem Kollegen mit einem Messer schwere Verletzungen zugefügt hat. Doch wollte er seinen Kontrahenten töten, oder zückte er das Messer aus Angst vor einem Faustschlag? So eindeutig die Tat an sich in einer Ditzinger Bäckerei war, so unterschiedlich wurde am Montag plädiert.

 

Der Angeklagte habe den Tod seines 22-jährigen Kollegen „billigend in Kauf genommen“ beziehungsweise „sehr ernsthaft damit gerechnet“, sagte der Staatsanwalt. Vier Mal hatte der 34-Jährige an jenem Morgen mit einem rund 30 Zentimeter langen Küchenmesser zugestochen. Einer der Stiche sei bis in den Bauchraum eingedrungen. Dazu brauche es schon eine „erhebliche Krafteinwirkung, um durch die Haut und die Fettschicht zu kommen“, zitierte der Staatsanwalt eine Gutachterin, die als Zeugin geladen war. Es sei nur „durch glückliche Tatumstände nicht zu einer Organverletzung gekommen“.

Er sieht trotz alledem nur einen minderschweren Fall des versuchten Totschlags sowie der gefährlichen Körperverletzung und fordert viereinhalb Jahre Haft. Denn der bislang unbescholtene 34-Jährige sei nicht nur in der Backstube von seinem späteren Opfer zunächst verbal provoziert und dann auf die Nase geschlagen worden. „Es kam zu regelmäßigen Erniedrigungen. Da waren beide wohl ähnlich schuld“, fasste der Staatsanwalt die Vorgeschichte der Männer zusammen, deren gutes Verhältnis spätestens dann zerbrochen war, als sie sich ein Jahr vor der Tat schon einmal prügelten.

Warum es dazu gekommen war, konnte im Prozess nicht geklärt werden. Immer wieder soll es Streit wegen unterschiedlicher politischer Ansichten der türkischstämmigen Männer gegeben haben. Der Angeklagte habe aber öfters Schwächere gemobbt, sagten einige frühere Kollegen im Zeugenstand aus. Anders als ursprünglich geschildert soll es vor dem verhängnisvollen Februarmorgen aber nicht um Politik gegangen sein. „Diese Auseinandersetzung war beendet“, sagte der Anwalt des Opfers und Nebenklägers. Es sei daher auch nicht mehr wichtig, wer oder was zu der Schlägerei vor dem Messerangriff geführt habe. Die Stiche seien „ganz bewusst“ platziert worden. Es sei eine „reine Schutzbehauptung“ des Angeklagten, dass er gestolpert sei und nicht gesehen habe, wohin er stach. Der 34-Jährige hatte angegeben, dass er einen weiteren Faustschlag des 22-Jährigen habe abwehren wollen. „Es spricht alles gegen den Angeklagten.“ Und es sei gar zu überlegen, ob der Angeklagte nicht versucht habe, „eine Notwehrsituation zu konstruieren“. Für ihn seien mehr als viereinhalb Jahre Haft angemessen.

Der Verteidiger forderte hingegen, seinen Mandanten lediglich wegen Körperverletzung zu verurteilen und die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Er sei durch den Bruch seiner Nase und das Blut „geschockt und traumatisiert“ gewesen, und dann noch vom Kollegen verhöhnt worden. Sein Mandant, der kein Gewalttäter sei, hätte dessen Tod auch nicht gebilligt, und ihn habe sofort die Reue überkommen. Der 34-Jährige selbst sagte: „Ich bedauere sehr und bin traurig, dass es zu diesem Vorfall gekommen ist.“ Das Urteil des Gerichts fällt am Donnerstag.