Nachdem der zweite Autobahnanschluss jedenfalls in absehbarer Zeit nicht kommen wird, hat die Verwaltung eine Verbindung vom Industriegebiet zur Westrandstraße ins Gespräch gebracht. Sie stößt damit rundweg auf Ablehnung.

Ditzingen - Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann hatte im November vergangenen Jahres dem Ditzinger Oberbürgermeister seine Unterstützung zugesichert. In einem Schreiben vom 27. November heißt es: „Bei der Ertüchtigung der innerörtlichen Erschließungsstraße kann ich Ihnen die Unterstützung meines Hauses – soweit technisch, rechtlich und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel möglich – signalisieren.“ Doch passiert ist aus Ditzinger Sicht nichts. Weder hat das Land der Kommune das ehemalige Areal der Autobahnpolizei überlassen, noch ist die Siemensstraße in die Verantwortung des Landes übergangen. Die künftige Nutzung des einstigen Polizeigeländes ist offen, die Umwidmung der Gemeindestraße zur Landesstraße steht noch aus.

 

Vor diesem Hintergrund stieß ein Antrag der Verwaltung am Dienstag im Ausschuss für Technik und Umwelt rundweg auf Ablehnung. Die Verwaltung wollte die Wirksamkeit einer Entlastungsstraße berechnen lassen, die von Thales quer über die Felder zur Westrandstraße verlaufen wäre. Damit hätte die Zufahrt von und zu den weltweit agierenden Unternehmen Trumpf und Thales verbessert werden sollen. Die Mitarbeiter stehen dort regelmäßig im Stau.

Zunächst hätte eine Verkehrsbefragung gemacht werden müssen, um vorhandene Daten zu aktualisieren. Die vorliegenden Daten seien eine Hochrechnung, gab der Verkehrsplaner Hendrik Arnold zu bedenken. „Die Zahlen können sich auch ganz anders darstellen“, warb er für eine neue Untersuchung, nachdem Thales sich tatsächlich angesiedelt habe. Die Verwaltung verwies zudem darauf, dass sie Datenaktualisierung auch für andere Untersuchungen, etwa die Optimierung der Ampelphasen, nutzen wolle.

Beides lehnten die Mitglieder des Ausschusses für Umwelt und Technik jedoch strikt ab. Der CDU-Fraktionschef Rolf Feil bestätigte zwar die erschwerte Zu- und vor allem Abfahrt von Trumpf und Thales. Die Probleme seien vor allem durch die Verlagerung des Parkplatzareals von Trumpf entstanden. Das Unternehmen erweitert für rund 70 Millionen Euro seinen Stammsitz. Feil stellte den Sinn der geplanten Straße in Frage. Zumal sein Fraktionskollege, der Landwirt und Maislabyrinth-Betreiber Gerhard Siegle, dann befürchten müsse, sein Anwesen werde „so zuzementiert, dass er Probleme bekommt. Das möchte ich nicht“. Seine Fraktionskollegin Barbara Radtke kritisierte zudem die Vorgehensweise der Stadtverwaltung, als sie von einem „Anstückeln“ sprach: „Der Appetit kommt beim Essen.“

Vor allem die Zersiedelung der Landschaft führten auch die Freien Wähler, die Grünen sowie die SPD an. „Da müssen uns die Leute doch für verrückt halten“, ärgerte sich der SPD-Rat Heinz Lienow über den Vorschlag. Zumal die Stadt nach Thales auch den Baumarkt dort angesiedelt habe. Der Grünen-Rat Ulrich Steller hielt zudem die prognostizierte Entlastung um täglich 2000 Autos – bei 40 000 Fahrzeugen, die am nahen Knotenpunkt der Siemensstraße gezählt werden – nicht für ausreichend, um die Verbindung in Erwägung zu ziehen.

Seine Fraktionskollegin Doris Renninger führte aus, das die Kommune bereits genug investiert habe, unter anderem in den Betrieb eines Pendelbusses zum Bahnhof. Es sei an der Zeit „den Ball den Firmen zurückzuschießen“. Zur Minderung der Verkehrsbelastung nahmen die Kommunalpolitiker deshalb sowohl die Unternehmen als auch das Land in die Pflicht. „Der Verkehrsminister hat erklärt, er sei bereit, uns zu unterstützen“, rief Feil in Erinnerung. Der Bürgermeister Ulrich Bahmer hielt es deshalb für das falsche Signal, zum jetzigen Zeitpunkt – wie von den Freien Wählern angeregt – über die Verbreiterung der Siemensstraße nachzudenken, da diese noch eine Gemeindestraße sei.

Laut dem Rathaussprecher Guido Braun hatte das Verkehrsministerium dem Oberbürgermeister Michael Makurath die Koordinierung eines Termins mit dem Finanzministerium zugesagt. Das war vor einigen Wochen. „Wir warten noch auf ein Termin“, sagt Braun. Bis Jahresmitte will die Stadt den Termin kennen.

Kommentar: Glaubwürdig

Ungewöhnlich deutlich haben die Ditzinger Stadträte eine Verkehrszählung im Industriegebiet abgelehnt. Zu Recht. Die Zählung ist schließlich nichts anderes als der Anfang einer Diskussion über die Verbindungsstraße von Trumpf und Thales quer über die Felder zur B 295. Insofern hat die CDU-Rätin Barbara Radtke gut daran getan, das Kind beim Namen zu nennen und das Vorgehen der Verwaltung als Salamitaktik zu entlarven.

Keine Frage, der Verkehr wird auf der ohnehin schon überlasteten Siemensstraße zunehmen. Das wussten die Räte, als sie der Thales-Ansiedlung auch in Erwartung von Gewerbesteuermillionen zustimmten. Aber auch die Firmen wussten um die Verkehrssituation, als sie sich dort ansiedelten, beziehungsweise wie Trumpf, ihre Erweiterung am Standort in Betracht zogen.

Der von der Wirtschaft und weiten Teilen des Gemeinderats forcierte zweite Autobahnanschluss zur Verkehrsentlastung lässt sich nicht realisieren, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Das haben die Ditzinger zu Kenntnis nehmen müssen, das müssen auch die Unternehmer tun. Wenn ihre Mitarbeiter nicht im Stau stehen wollen, müssen sie Bus und Bahn nutzen. Die Unterstützung der Kommunalpolitik haben sie ja dennoch. Die Räte forderten am Dienstag richtigerweise die zugesagte Unterstützung des Verkehrsministers ein, um das Nadelöhr auf dem Autobahnzubringer durch eine Verbreiterung der Siemensstraße zu beseitigen.

Die Kommunalpolitiker haben gut daran getan, den nicht eindrücklich begründeten Antrag der Verwaltung entschieden abzulehnen, um in der Bevölkerung glaubwürdig zu bleiben. Hätten die Stadträte zugestimmt, wäre ihre bisherige Wertschätzung der örtlichen Landwirtschaft nichts anderes gewesen, als es die Worte des Verkehrsministers Winfried Hermann bisher sind: ein bloßes Lippenbekenntnis.