Konstantin Sibold gehört derzeit zu den gefragtesten DJs und Produzenten aus der Region Stuttgart. In den vergangenen zwei Jahren hat er fast alle Kontinente bereist, um dort zu spielen.

Stuttgart - Am vergangenen Montag um 0.30 Uhr morgens. Das Berghain in Berlin-Friedrichshain platzt aus allen Nähten. An der Garderobe im Erdgeschoss gibt ein junger Mann den Großteil seiner Klamotten ab. Zwei Stockwerke darüber liegt die legendäre Panorama Bar. Vorne tanzt ein Mädchen oben ohne, die Luft ist stickig – es riecht nach Rauch und Schweiß. Konstantin Sibold hat gerade mit seinem Closing-Set begonnen, das heißt, ihm wurde die Ehre zuteil, den 30-stündigen Feiermarathon mit ausgesuchten Musikstücken zu beenden. Nicht nur House und Techno, sondern auch indie- und poplastigere Lieder wird er in den nächsten sechs Stunden auflegen.

 

Das Berghain ist der Ritterschlag für jeden Techno-DJ. Konstantin Sibold durfte in diesem Jahr schon zum zweiten Mal dort spielen. Dabei startete die musikalische Karriere des Luft- und Raumfahrttechnikstudenten der Uni Stuttgart, der immer noch bei seinen Eltern in Waiblingen-Hohenacker wohnt, erst vor wenigen Jahren. 2010 kam die erste Schallplatte mit zwei seiner Lieder in die Plattenläden. Seitdem hat er als Produzent etliche eigene Lieder und Remixe von anderen Künstlern veröffentlicht und ist als DJ in der ganzen Welt unterwegs. „Früher habe ich viel weniger nachgedacht über das, was ich gemacht habe“, sagt Konstantin Sibold. „Mittlerweile denke ich beim Komponieren und Produzieren viel zielgerichteter“, ergänzt er. Kein Wunder, kreiert er inzwischen Remixe im Auftrag für internationale Topkünstler wie Lana Del Rey, Röyksopp oder GusGus.

Begonnen hat alles im Plattenladen Humpty

Beim „Music Award Region Stuttgart“ (mars) war er 2013 neben Künstlern wie Cro und Philipp Poisel für den Künstler- beziehungsweise Band-Award nominiert. Gewonnen hatte er nicht, aufgrund der übermächtigen Konkurrenz. Anfang 2014 blieben die Erfolge aber nicht aus: Beim Leservoting im „Groove“-Magazin – einer der wichtigsten deutschen Szene-Zeitschriften für elektronische Musik – wurde er zum „Besten Newcomer 2013“ ernannt. In den Kategorien „Bester Remix 2013“ und „Bester Track 2013“ konnte er die Plätze zwei und sechs belegen.

Begonnen hatte für Konstantin Sibold alles im inzwischen geschlossenen Plattenladen Humpty. „Dort hat sich damals die elektronische Szene Stuttgarts getroffen“, sagt Sibold. So kamen er und sein Freund und Partner Leif Müller auch regelmäßig ins Programm vom Club Rocker33. Wenig später wurde den Zweien eine eigene Veranstaltungsreihe vorgeschlagen. So entstand die Reihe „Common Sense People“, bei der international erfolgreiche DJs gebucht wurden und man Wert auf unkommerzielle und zeitlose elektronische Musik legt. „Ohne Humpty und Rocker33 gäbe es mich so heute nicht“, betont Sibold.

In zwei Jahren fast alle Kontinente bereist

Umso trauriger für ihn: der Wegfall des „für Stuttgart so wichtigen Clubs“. Für das, was sie machen, gebe es in Stuttgart im Moment was Größe, Publikum und Bookings betrifft, nicht den richtigen Club. Deshalb sind die Veranstaltungen auch seltener geworden. „Wir warten, bis das Rocker33 in einer geeigneten Location wieder anfangen kann“, sagt Sibold. „Bis dahin kümmern wir uns mehr um unsere eigenen Projekte.“ Erst kürzlich erschien ein Track der beiden auf Cocoon – dem Plattenlabel von Techno-Pionier Sven Väth. Mächtig stolz seien sie darauf, auf diesem großen Label zu veröffentlichen, so Konstantin Sibold.

In den vergangenen zwei Jahren hat Konstantin Sibold fast alle Kontinente bereist, um dort zu spielen. „Das ist schon verrückt manchmal: Ich fliege donnerstags los, lege am Freitag in Taipeh auf, spiele am Samstag in Seoul und bin am Montag wieder in Hohenacker“, sagt Sibold. Weitere für ihn wichtige Höhepunkte waren die vielen Festivals im Sommer und seine Auftritte auf Ibiza und in Mexiko. Anfangs habe er sehr damit zu kämpfen gehabt, die ganze Zeit alleine unterwegs zu sein. „Nach einigen Monaten habe ich das schätzen gelernt und freue mich nun auf fremde Orte, Sprachen und Menschen, die mich unterwegs erwarten“, sagt Sibold.

Die Menschen glücklich machen möchte Sibold mit seiner Musik. „Für viele ist der Club gleichbedeutend mit Ballett, Theater oder Kunstgalerien“, sagt Sibold. Wieso also solle man den Leuten das nicht ermöglichen? Urbanisierung könne nicht durch Kommerzhochburgen entstehen, meint Sibold und spielt damit auf die kürzlich eröffneten Einkaufszentren in Innenstadtlage an. Die Stadt Stuttgart schreibe der Kultur und insbesondere der Clubkultur nicht den nötigen Stellenwert zu.

„Es gibt Orte im Nachtleben, die einen in einen anderen geistigen Zustand versetzen – das schaffen andere Orte gar nicht“, so Sibold. „Genau das ist die Daseinsberechtigung für diese Subkultur“, ergänzt er.

Am Freitagabend steigt die nächste Veranstaltung von Konstantin Sibold und Leif Müller im Climax, Calwer Straße 25. Von 23 Uhr an feiern sie dort „Drei Jahre Common Sense People“ zusammen mit Moritz von Pein. Am Samstagabend ist Konstantin Sibold von 21 Uhr an bei der Radiosendung „Clubsandwich“ auf FluxFM, UKW 97,2 zu Gast.