Amerika über alles und eine rechte Internationale in der Welt: Der Neo-Nationalist Stephen Bannon ist der wichtigste Berater des US-Präsidenten. In Donald Trump hat er einen seelenverwandten Chef gefunden.

Washington - Das Wort „Chaos“ hat für den Mann an der Seite des US-Präsidenten keinen bitteren Beigeschmack. Donald Trumps Chefstratege Stephen Bannon benutzt politisches Durcheinander als Taktik, die darauf angelegt ist, den Gegner zu überwältigen – oder ihn abzulenken, um wichtigere Ziele durchzusetzen. Nicht weniger als das hat sich Trumps ehemaliger Wahlkampf-Manager, Chef bei der rechten Agitprop-Plattform „Breitbart“ und ehemaliger Navy-Offizier mit Harvard-Abschluss, vorgenommen. Die ersten beiden Wochen des neuen Präsidenten im Weißen Haus geben einen Vorgeschmack auf das, was kommt: eine Revolution von oben, die sich gegen das liberale Amerika und dessen Weltordnung richtet. In schneller Abfolge kündigte Trump das transpazifische Freihandelsabkommen TPP auf, erteilte den Befehl zum Mauerbau an der Grenze zu Mexiko und verhängte einen Einreisestopp für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Staaten.

 

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Als Demonstranten zu Zehntausenden ihren Unmut spontan auf die Straße trugen, nutzte Bannon die Ablenkung der Medien für einen persönlichen Coup im Weißen Haus. Er jubelte dem Präsidenten den Umbau des Nationalen Sicherheitsrats (NSC) unter. Während der Joint Chiefs of Staff und der CIA-Direktor in dem Exekutivbefehl zur Reform des NSC abgestuft werden, erhält der Chefberater einen festen Platz in dem Gremium, das Trump zu Krieg und Frieden berät. Ähnlich unbescheiden wie sein Chef vergleicht sich Bannon in einem Interview mit dem mächtigen Gehilfen Heinrich des Achten: „Ich bin Thomas Cromwell am Hofe der Tudors.“

Unrasiert und mit offenem Hemd im Oval Office

Der historische Vergleich ist gar nicht so weit hergeholt. Das „Time“-Magazin nennt Bannon in seiner aktuellen Titelstory „den zweitmächtigsten Mann der Welt“. Und „Saturday live“ lässt ihn als düsteren Sensenmann hinter Trump auftauchen. Niemand sonst kann es sich leisten, unrasiert, mit zerknüllter Hose und offenem Hemd ins Oval Office zu spazieren. Schon bei der Berufung des 63-Jährigen rieben sich erfahrene Beobachter die Augen. Hieß es in der Mitteilung des Weißen Hauses doch explizit, der Chefberater sei dem Stabschef gleichgestellt. Letzteren Job erhielt der bisheriger Parteichef der Republikaner, Reince Priebus. Den Karteikasten des biegsamen Apparatschiks brauchte Trump dringend, um die rund viertausend Positionen in der Regierung zu füllen.

Die Macht aber reservierte der US-Präsident für Bannon, der seine politischen Instinkte teilt. Die beiden verstehen sich als Störenfriede, die sich vorgenommen haben, die globalen Eliten aufzumischen. „Wir sind Augenzeugen der Geburt einer neuen politischen Ordnung“, jubelte Bannon nach dem Wahlsieg im November. Wie er sich selbst sieht? „Ich bin ein Wirtschaftsnationalist, ein Amerika-Zuerst-Typ“, nimmt Bannon im „Wall Street Journal“ eine Standortbestimmung vor. Er ist ein Anti-Globalisierer, der die Rückkehr zur nationalen Souveränität als Allheilmittel begreift – und ein radikaler Islam-Gegner, der die „jüdisch-christliche Welt“ im Krieg sieht mit der muslimischen Welt.

Selbstschutzmaßnahmen zur Rückgewinnung der Souveränität

Wer Einblick in Bannons Weltsicht sucht, findet die Gebrauchsanleitung bei einem Auftritt Bannons via Skype vor dem rechtskatholischen „Human Dignity Institute“ aus dem Jahr 2014 in Rom. Dort entfaltete er seine Vision einer „rechten Internationale“, die seit der Finanzkrise 2008 überall an die Macht drängt. „Das zentrale Anliegen, das all diese Mitte-Rechts-populistischen Bewegungen verbindet“, erklärt Bannon hier, sei „die Sammlung der arbeitenden Männer und Frauen in der Welt, die müde sind, von der ,Davos’-Lobby herumkommandiert zu werden“. Die Agenten der Globalisierung in New York fühlten sich mit ihren Gegenübern in London und Berlin enger verbunden „als mit ihren Landsleuten in Kansas und Colorado“. Die Leute spürten, wie sie entmündigt würden, und lehnten sich überall in der Welt gegen „supranationale Gebilde“ wie die Europäische Union auf.

Bannons Antwort darauf ist ein Neo-Nationalismus; Protektionismus, Mauerbau und Einwanderungsstopp sind in diesem Konstrukt Selbstschutz-Maßnahmen, um die Souveränität zurückzugewinnen. Eine Außenpolitik, die darauf zielt, multinationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die EU oder die Nato zu schwächen, versteht sich hier von selbst.

An die Stelle von Kooperationen tritt das Recht des Stärkeren

Die „neue Ordnung“, die Bannon und Trump vorschwebt, ist in Wirklichkeit eine alte. Es ist die düstere Welt des Nationalismus’ mit seinem undurchsichtigen Netz an bilateralen Absprachen und Rückversicherungen, in dem andere Staaten nicht als Partner, sondern als Konkurrenten wahrgenommen werden. Es geht nicht um Kooperation, sondern um das Recht des Stärkeren. Bannon entdeckte schon sehr früh seine Seelenverwandtschaft zu Trump, den er als seinen idealen Botschafter ausmachte. Als „Breitbart“-Chef beauftragte er das Organ der sogenannten „Alt-Right“-Bewegung, der alternativen Rechten, den blondierten Milliardär hochzujubeln.

Bannon ist ein Tausendsassa, der sich in seinem Leben immer wieder neu erfunden hat. In einer irisch-katholischen Arbeiterfamilie in Virginia aufgewachsen, meldete er sich nach der Schule freiwillig zum Dienst in der Kriegsmarine. Er macht seinen Abschluss in nationaler Sicherheit an der renommierten Georgetown-Universität. Abrupt wechselte er die Karriere und schaffte es an der Harvard Business School aufgenommen zu werden. Die Elite-Universität erwies sich als Sprungbrett an die Wall Street: Bannon heuerte bei den Investmentbankern von Goldman Sachs an und verdiente sich während des Übernahmebooms in den 80er Jahren eine goldene Nase. Das Geld investierte er in Medienfirmen in Hollywood. Die Rechte an der Erfolgsserie „Seinfeld“ tragen ihm bis heute satte Tantiemen ein.

Sein Maskottchen ist der Honigdachs, der sich im Blutdurst festbeißt

Dann entdeckte Bannon den Filmemacher in sich. Er drehte plakative Streifen wie „In the Face of Evil“ sowie Lobhudeleien auf die erzkonservative Sarah Palin und deren Tea-Party-Bewegung. In Los Angeles freundete er sich mit Andrew Breitbart an, einem schillernden Provokateur, der das Establishment in Washington und an der Wall Street ebenfalls zu seinem Feind erklärt hatte. Bannon half ihm finanziell, den Traum einer Plattform für die neue Rechte zu realisieren. Nach Breitbarts plötzlichem Herztod im Alter von nur 43 Jahren übernahm Bannon 2012 die alleinige Führung der Organisation. Gefeuerte Mitarbeiter von Breitbart beschreiben ihn als unbeherrschten Chef – einen Vorwurf, den übrigens auch Bannons Ex-Frau erhebt, die ihn wegen häuslicher Gewalt anzeigte.

Als Chefstratege holt Bannon nun seine „Breitbart“-Seilschaften ins Weiße Haus. Umgekehrt hilft der Trump-Flüsterer, sein früheres Unternehmen zu einer privaten Agitations- und Propaganda-Plattform für den US-Präsidenten auszubauen mit einem globalen Netz an Standorten, das seine Marschbefehle direkt aus dem Zentrum der Macht erhält. Je mehr sich die Leute an seinem Stil und Vorgehen reiben, desto besser ist das aus Bannons Sicht. Sein Maskottchen ist der Honigdachs, der laut Brehms Allgemeiner Tierkunde angriffslustig ist und sich in seinem Blutdurst festbeißt. „Honigdachse scheißen sich nichts“, lautet das Motto, das Bannon bei „Breitbart“ ausgab. Wie weit er im Weißen Haus damit kommt, hängt von dem Mann ab, dem er dient: Seine Macht steht und fällt mit Trump. Läuft es schlecht, kann es für Bannon schnell zu Ende sein. Als sein historisches Vorbild Cromwell übers Ziel hinausschoss, ließ ihn Heinrich exekutieren. Zur Zeit allerdings hockt Bannon fest wie die Spinne im Netz des Weißen Hauses.