Bei einer ZDF-Talkrunde wird offenbar: In Deutschland haben sich Bürger und Politiker voneinander entfremdet. Vertreter der türkischen Regierungspartei und die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras scheinen gar in anderen Welten zu leben.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Es wird viel geredet im deutschen Fernsehen, gegeneinander, miteinander, durcheinander. Mit dem Verstehen, da hapert es aber gewaltig. Das ist beim vorerst letzten „Donnerstalk“ von Dunya Hayali wieder mal ganz offensichtlich geworden.

 

In der ZDF-Gesprächsrunde reden erst Meryam Göka und Muhterem Aras aneinander vorbei. Die eine stellvertretende Vorsitzende der AKP-Frauenunion, die andere Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg. Das Thema: der Umgang mit der Türkei. „Wir hätten uns nach dem Putsch mehr Solidarität gewünscht“, sagt Meryam Göka und verweist auf Europas Staatschefs, die nach den Anschlägen von Paris in die französische Hauptstadt geeilt waren. „Wir haben vor der Plenarsitzung im Landtag der Opfer gedacht“, antwortet daraufhin Muhterem Aras. Natürlich kommen die beiden Frauen bei ihrer Bewertung nicht überein, ob der türkische Präsident Held oder Schuft ist.

Nun sind unterschiedliche Meinungen im politischen Diskurs durchaus in Ordnung. Hier hapert es jedoch schon an jeder Form von Grundverständnis für den anderen. Es gebe wohl verschiedene Einschätzungen dazu, was Demokratie bedeute, so die Quintessenz. Anstatt diesem interessanten Pfad zu folgen, kommt schon das nächste Thema.

Verschiedene Ansichten zur Demokratie

Dabei verstehen sich Justizminister Heiko Maas und Beatrix von Storch ebenso wenig. Wobei der AfD-Politikerin das Kunststück gelingt, mit sich selbst nicht im Reinen zu sein. Beim Thema Mindestlohn vertritt der von ihr geführte Landesverband eine andere Meinung als die Bundespartei, deren stellvertretende Chefin von Storch ebenfalls ist. Nun teile sie als Chefin des Berliner Verbandes aber nicht dessen Ansicht, sagt die AfD-Politikerin. Das muss man nicht verstehen. Der Justizminister und die Moderatorin haken nach, von Storch weicht aus, sucht ihr Heil in anderen Themenfeldern. Wer verstehen möchte, wie die verbindliche Ansicht von Partei und deren Spitzenpersonal denn nun ist, der bleibt ein wenig ratlos zurück. Dass von Storch zudem erklärt, eine Steuer abschaffen zu wollen, die es in Deutschland derzeit gar nicht gibt – geschenkt.

Die sozial abgehängten kommen zu Wort

Was wohl diese Menschen darüber denken, die kurz zuvor in einem Filmbeitrag zu Wort gekommen sind? Menschen aus Mannheim, sozial abgehängt, am Rande der Existenz. Menschen wie der Rentner, dem nach einem langen Arbeitsleben und dem Abzug der Fixkosten gerade einmal 140 Euro im Monat zum Leben bleiben? Viele dieser Menschen haben beim letzten Mal AfD gewählt, weil sie glauben, dass diese Partei endlich was macht für den kleinen Mann. Heiko Maas sagt: „Diese Menschen werden von der AfD in Zukunft so enttäuscht sein, wie sie es jetzt von den alten Parteien sind.“

Der Justizminister gibt den Verständigen. Viele Fehler habe die etablierte Politik in der Vergangenheit gemacht, den Kontakt zum Bürger dabei verloren. „Politikersprech ist nicht, was die Leute hören wollen.“ Wie es besser geht, bleibt offen. Maas referiert Statistiken, die das Verhältnis von Einzahlungen und Ausgaben ausländischer Arbeitnehmer bei der Sozialversicherung erklären. Ob das bei den Menschen in Mannheim auf fruchtbaren Boden fällt? „Die Politik muss sich endlich mal kümmern um die kleinen Leute“, hat einer der Befragten gesagt. „Die Probleme sind oft vielschichtig und nicht geeignet für einfache Antworten“, sagt Maas. Gegenseitiges Verstehen hört sich anders an.