Das Internationale Olympische Komitee lässt auch die zweite Chance aus, in Sachen Doping in Russland glaubwürdig zu sein – bemängelt Jochen Klingovsky in seinem Kommentar.

Stuttgart - Freunde des sauberen Sports erinnern sich mit Grausen an die Olympischen Spiele 2016 in Rio – und an das Schauspiel vor der Eröffnungsfeier. Schon damals war klar, dass im russischen Sport systematisch gedopt wird, doch die Herren der Ringe weigerten sich standhaft, das Riesenreich auszuschließen. Stattdessen gab Thomas Bach, der Boss des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die Verantwortung an seine Fachverbände ab. Das Ergebnis ist bekannt: Außer in der Leichtathletik und im Gewichtheben durften die meisten Russen starten – im Medaillenspiegel reichte es ihnen immerhin zu Platz vier (19 Gold/18 Silber/19 Bronze).

 

Und jetzt? Fühlt man sich wie im zweiten Teil eines Gruselfilms, der den ersten noch übertreffen will. Längst sind weit mehr Fakten bekannt als vor Rio, der McLaren-Report II liefert Belege dafür, dass 1000 russische Athleten gedopt haben. Doch das IOC lässt auch die zweite Chance aus, das bisschen Glaubwürdigkeit aufzupolieren, das dem internationalen Sport nach all den Doping- und Korruptionsskandalen noch geblieben ist. Bach spricht zwar davon, dass das Thema Doping in Russland bei ihm zu Erschrecken und innerer Wut führe, doch Konsequenzen zieht er keine.

Wieder lässt das IOC seine Fachverbände alleine. Sie müssen sich mit der Frage beschäftigen, ob die durch Kratzspuren belegte Manipulation einer Dopingprobe für eine Sperre ausreicht. Oder ob der russische Langläufer Sergei Ustjugow unbehelligt die Tour de Ski beherrschen darf wie kein Langläufer vor ihm, nur weil er im olympischen Sprint 2014 gestürzt und deshalb nicht kontrolliert worden war – weshalb auch niemand seine Probe austauschen musste. Das IOC stiehlt sich erneut aus der Verantwortung, dabei müsste es nun endlich handeln und den russischen Sport komplett von internationalen Wettbewerben ausschließen. Alles andere spricht der von Bach stets propagierten Null-Toleranz-Politik gegen Doping Hohn.

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