Mit heftiger Kritik an der Vorsitzenden hat sich der Wissenschaftler Heinz Schöch aus der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin zurückgezogen. Er wirft der Leiterin Letizia Paoli Konzeptlosigkeit und Verschleppung der Doping-Aufklärung vor.

Freiburg - In der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin regiert das Chaos. In Heinz Schöch teilte am Montag das nächste Gremiumsmitglied seinen Rücktritt mit und warf der Kommissionsleiterin Letizia Paoli Konzeptlosigkeit sowie eine Verzögerung der Doping-Aufklärung vor. Die verbliebenen Kollegen versicherten der Kriminologin ihren Rückhalt. Von seriöser Aufarbeitung kann dennoch kaum noch die Rede sein. Die Gremiumsarbeit verkommt zur Posse.

 

„Es ist für mich als Kommissionsmitglied nicht mehr zu verantworten, über die Verschleppung der Kommissionsarbeit durch Frau Paoli den Mantel des Schweigens auszubreiten. Deshalb habe ich den Rektor der Universität Freiburg heute über meinen Rücktritt aus der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin und über meine Gründe für diesen Schritt informiert“, schrieb der emeritierte Professor für Strafrecht der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Schöch: Kommission ist heftig angeschlagen

Schöch sieht die Kommission als heftig angeschlagen an. „Es war in den letzten Monaten für die Öffentlichkeit kaum mehr zu übersehen, dass die Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin unter dem Vorsitz von Frau Prof. Dr. Letizia Paoli wegen deren eigenmächtiger Pressearbeit und interner Differenzen kaum mehr arbeitsfähig ist“, erklärte Schöch weiter. „Diese Konflikte erscheinen mir nunmehr unüberbrückbar“. Schöch nahm in seinem Rundumschlag seinen Kollegen Andreas Singler in Schutz. Dieser hatte Anfang März eigenmächtig Ergebnisse eines intern noch nicht angenommenen Gutachtens zu angeblich systematischem Doping im deutschen Sport veröffentlicht und war danach von Paoli für sein Vorgehen kritisiert worden.

Nach einem Schlichtungsgespräch zwischen Kommission, Universität und Wissenschaftsministerium Ende Februar sei die Lage „noch einmal auf eine Weise eskaliert, die nicht mehr hinnehmbar ist“, beklagte Schöch nun. Nach Singlers Veröffentlichung des Sondergutachtens habe sich Paoli darauf konzentriert, Singler „in der Öffentlichkeit und in der Kommission durch E-Mail-Dossiers zu diskreditieren“.

Im Juni 2007 wurde die Evaluierungskommission zur Untersuchung der Doping-Vergangenheit an der Universität Freiburg eingesetzt. Anfang März dieses Jahres wurde das nicht abgestimmte Zwischengutachten aus dem Gremium bekannt. Entnervt von den Querelen hat Singler mittlerweile seinen Rücktritt aus der Kommission angekündigt.

Paoli immer mehr unter Druck

Paoli gerät immer mehr unter Druck. Schöch zweifelt offen an der Kompetenz der Kriminologin. „Welchen Beitrag die Vorsitzende selbst zu dem Abschlussbericht leisten will, ist über fünf Jahre nach der Übernahme des Vorsitzes durch sie nicht erkennbar“, ätzte Schöch. Angesichts der „intransparenten und teilweise konzeptionslosen Kommissionsleitung“ habe er schon länger an Rücktritt gedacht.

„Beharrlichkeit und Durchsetzungswille der Vorsitzenden sind nicht zu bestreiten“, meinte Schöch. „Sie beherrscht auch die mediale Selbstvermarktung in eindrucksvoller Weise. Die Leitung einer solchen Kommission gehört nicht zu ihren Stärken.“ Die verbliebenen Gremiumsmitglieder versicherten Paoli ihren Rückhalt. Die Kriminologin sei „ein Glücksfall für die Dopingaufklärung in Deutschland, eine persönlich hochgeschätzte Kollegin und ein Gewinn für alle, die mit ihr zusammen arbeiten“, schrieben sie in einem offenen Brief an Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne).

Sie forderten Bauer, den Rektor der Universität Freiburg und den Leitenden Ärztlichen Direktor des Uniklinikums auf, Paoli ebenfalls „öffentlich und nachhaltig“ zu stärken. Das Gremium sei „tief betroffen“, dass ihre Vorsitzende „nicht gegen diffamierende Angriffe innerhalb der Kommission und von außen verteidigt“ werde.

Die für Ende dieses Jahres angestrebte Publizierung eines Abschlussberichts ist Paolis Stellvertreter Hellmut Mahler zufolge trotz des brisanten Disputs nicht in Gefahr. „Selbstverständlich ist der Termin noch zu halten“, erklärte der Wissenschaftler am Sonntag noch vor Schöchs Rücktritt im Deutschlandfunk.