Der Mann hatte eine Doppelrolle als Zeuge und Mitarbeiter der AfD-Fraktion. Der NSU-Ausschuss hält ihn für einen Märchenonkel. Die AfD beschäftigt ihn dennoch weiter.

Stuttgart - Mitte vergangenen Jahres hatte die AfD-Landtagsfraktion einen Berater für den NSU-Untersuchungsausschuss eingestellt, der von dem Gremium zugleich als Zeuge geführt wurde. Fortan spielte er eine merkwürdige Doppelrolle. Es handelte sich um Reinhard Rudolf Kiefer, einen ehemaligen Mitarbeiter eines US-Militärgeheimdienstes, der im Streit von seinem Arbeitgeber geschieden war. Die Personalie erzeugte einiges Aufsehen, der Mann galt als Aufschneider.

 

Er hatte erstmals im Oktober 2016 vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, im September 2017 wurde er erneut vernommen. Seine in verschiedenen Abstufungen vorgetragene Kernbotschaft lautete: US-Geheimdienste waren zugegen, als 2007 in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet wurde. Wobei nie ganz klar wurde, was das zu bedeuten hätte, wenn es so gewesen wäre. Eine Telefonnummer, die angeblich zur islamistischen „Sauerlandgruppe“ führte, wurde vom Untersuchungsausschuss durch eigene Recherchen als Fehlspur identifiziert. Nun bescheinigte der Ausschuss dem AfD-Berater offiziell, es bestünden „durchgreifende Bedenken gegen seine persönliche Zuverlässigkeit“. Bedeutsame Aussageinhalte des Zeugen seien widerlegt.

Falscher „Sonderermittler“

Mit diesem Verdikt, das nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler auch von der AfD mitgetragen wurde, entließ das Gremium den Mann aus dem Zeugenstand. Als Zeuge war es Kiefer bisher verwehrt gewesen, in seiner Rolle als AfD-Berater einschlägige Unterlagen und Akten etwa zum Komplex „Geheimdienste auf der Theresienwiese“ einzusehen.

Dieses Verbot der Akteneinsicht hielt Kiefer nach Erkenntnissen des Ausschusses allerdings nicht davon ab, sich Zugang zum NSU-Notebook der AfD-Fraktion verschaffen zu wollen. Zwei Tage vor seiner zweiten Vernehmung im Ausschuss rief er demnach bei der EDV-Hotline des Landtags an und verlangte nach dem – in der Wartung befindlichen – Notebook. Er und seine Kollegen müssten sich auf die kommende Ausschusssitzung vorbereiten, machte er geltend. Kiefer agierte lautstark: „Falsche Antwort! Ich will das Notebook jetzt.“ Auch gab es Probleme mit der Kennwort-Eingabe.

Außerdem gab sich Kiefer fälschlicherweise als „Sonderermittler“ des NSU-Untersuchungsausschusses aus. Das Polizeipräsidium Ulm beschwerte sich beim Ausschuss über den Versuch Kiefers, unter Hinweis auf sein „nachrichtendienstliches Wissen“ am offiziellen Dienstweg vorbei Informationen von der Polizei zu bekommen. Obwohl der Untersuchungsausschuss Kiefer als Märchenonkel betrachtet, will die AfD-Fraktion an ihm festhalten. Er besitze eine gewisse Eignung, sagte die Abgeordnete Christina Baum. Auch habe die Fraktion eine soziale Verantwortung. „Wir haben uns entschieden, Herrn Kiefer weiterzubeschäftigen.“