In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern müssen sich künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Sie dürfen ab sofort zwei Pässe behalten.

Berlin - In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern dürfen ab sofort zwei Pässe behalten. Das geänderte Staatsangehörigkeitsrecht trat an diesem Samstag in Kraft. Allerdings sieht es bestimmte Auflagen vor. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums betrifft die neue Regelung etwa 500.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

 

Von der sogenannten Optionspflicht befreit ist künftig, wer bis zum 21. Geburtstag entweder mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt oder hier sechs Jahre lang die Schule besucht hat. Das Gleiche gilt für Kinder von Migranten, die hierzulande einen Schulabschluss erworben oder eine Berufsausbildung abgeschlossen haben.

Bisher mussten sich Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, bis spätestens zum 23. Geburtstag zwischen dem deutschen Pass und der Staatsangehörigkeit ihres Herkunftslandes entscheiden.

Wie war die Rechtslage bisher?

Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren sind, bekamen zunächst zwei Staatsangehörigkeiten: die deutsche und die ihrer Eltern. Sie mussten sich aber bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden. "Optionspflicht" heißt das im Behördendeutsch. Die Regelung gilt seit dem Jahr 2000 - und rückwirkend für alle, die seit 1990 in Deutschland auf die Welt gekommen sind. Es gab aber viele Ausnahmen - für EU-Bürger und Dutzende andere Nationalitäten war der "Doppelpass" kein Problem.

Was hat sich nun geändert?

Wer in Deutschland geboren und auch aufgewachsen ist, muss sich nicht mehr zwischen zwei Pässen entscheiden, sondern kann beide auf Dauer behalten. Die Voraussetzung: Bis zum 21. Geburtstag muss jemand mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben oder sechs Jahre hier zur Schule gegangen sein. Als Nachweis reichen auch ein deutscher Schulabschluss oder ein Ausbildungszeugnis. Liegen die Belege vor dem 21. Geburtstag nicht vor, schauen die Behörden danach selbst ins Melderegister, ob die Person acht Jahre in Deutschland gemeldet war. Ist das so, wird nichts weiter geprüft. Anderenfalls müssen die Betroffenen Nachweise erbringen.

Was ist mit denen, die vor 1990 geboren wurden?

Sie gehen leer aus. Auch weiterhin gilt nur für Kinder aus Zuwandererfamilien, die seit 1990 in Deutschland geboren sind, dass sie mit der Geburt automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen - neben der ihrer Eltern. Für ältere Geschwister sind zwei Pässe weiter nicht erreichbar, für die Elterngeneration auch nicht.

Was ist mit denen, die nach der alten Regelung zunächst beide Pässe hatten, sich aber dann für einen entscheiden mussten?

Sie können die Entscheidung quasi rückgängig machen. Haben sie sich für die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern und gegen die deutsche entschieden, können sie wieder eingebürgert werden. Haben sie sich entschieden, Deutsche zu sein und den ausländischen Pass aufzugeben, können sie den Wiedererwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit betreiben und dazu eine Genehmigung erhalten.

Wieviele Menschen betrifft die neue Regelung?

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums 500 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Wie kam der Kompromiss zustande?

Das Thema ist seit vielen Jahren umstritten. Die Union lehnte den Doppelpass stets ab. Der hessische CDU-Politiker Roland Koch gewann 1999 die Landtagswahl auch dank einer Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpass. Im Bundestagswahlkampf 2013 war die SPD mit dem Versprechen angetreten, die bisherige Regelung komplett abzuschaffen. In den Koalitionsverhandlungen fanden beide Seiten einen Kompromiss. Allerdings rutschte eine Formulierung in den Koalitionsvertrag, über die es hinterher wieder Streit gab: Die Optionspflicht soll wegfallen für jene Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren "und aufgewachsen" sind. Schließlich einigte man sich, das etwa über Schulzeugnisse nachzuweisen und den bürokratischen Aufwand für Betroffene möglichst gering zu halten.