Baden-Württemberg erhöht den Druck in der Debatte um die doppelte Staatsangehörigkeit. Eine Mehrheit im Bundesrat ist aber unwahrscheinlich.

Berlin/Stuttgart - Auf die schwarz-gelbe Bundesregierung steigt der Druck, Migrantenkindern die doppelte Staatsbürgerschaft dauerhaft zu erlauben. Das grün-rot regierte Baden-Württemberg will im Bundesrat eine neue Initiative für den Doppelpass starten und kann dabei auf Unterstützung hoffen.

 

Sechs SPD-geführte Länder begrüßen das Vorhaben aus Stuttgart, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab. Widerstand kommt aber aus vier schwarz-gelb regierten Ländern. Nach den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen wird das Vorhaben allerdings spätestens im Bundestag scheitern. Dort wollen Union und FDP nicht mitziehen.

Mehrheit im Bundesrat fehlt

Im Bundesrat verfügt das linke Lager über 30 Stimmen. Für eine Mehrheit bräuchten die Doppelpass-Befürworter aber 35 Stimmen. Allerdings ist die CDU/FDP-Koalition in Kiel noch unentschieden. Die beiden Ost-Länder mit großen Koalitionen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, wollen sich ebenfalls noch nicht festlegen.

Seit dem Jahr 2000 müssen sich Jugendliche mit ausländischen Wurzeln, die in Deutschland geboren sind und deren Eltern seit mindestens acht Jahren hier leben, bis zum Alter von 23 für einen Pass entscheiden. Tun sie es nicht, verlieren sie den deutschen Pass. Baden-Württemberg will diese sogenannte Optionspflicht kippen und Migrantenkindern generell den doppelten Pass ermöglichen. Für EU-Bürger sind doppelte Staatsbürgerschaften bereits zulässig.

NRW unterstützt den Vorstoß

Gegen den Doppelpass sind die vier schwarz-gelb regierten Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte: „Es geht nicht an, dass ich einmal Deutscher, einmal Ausländer sein möchte, je nach dem, was mir gerade günstiger erscheint. Wer Deutscher werden will, muss sich auch eindeutig zu Deutschland bekennen.“ Ein Sprecher von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) plädierte dafür, erst einmal abzuwarten, was eine sozialwissenschaftliche Studie des Bundes zu dem Thema bringt, bevor man über Änderungsbedarf nachdenkt.

Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen unterstützt dagegen den Vorstoß aus Baden-Württemberg. Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte: „Wir wollen unnötigen Druck auf die jungen Menschen vermeiden, sich für einen Teil ihrer Identität entscheiden zu müssen.“ Rheinland-Pfalz ist ebenfalls auf dieser Linie: Junge Menschen sollten nicht mehr gezwungen werden, sich für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden, erklärte die Staatssekretärin im Integrationsministerium, Margit Gottstein (Grüne).

Öney ist enttäuscht

Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) kritisierte die Haltung Niedersachsens. Sie sei enttäuscht, dass Ministerpräsident David McAllister, der einen deutschen und einen britischen Pass habe, und die türkischstämmige Sozialministerin Aygül Özkan (beide CDU) so „wenig mutig“ seien. „Gerade von diesen beiden hätte ich mir eine weniger ideologische und mehr politische Auseinandersetzung gewünscht“, sagte sie der dpa. Beide Politiker müssten erklären, warum etwa Einwanderer aus der EU zwei Pässe haben dürften und junge Erwachsene mit türkischen Wurzeln nicht.

Die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, nach den ersten Erfahrungen mit dem Optionsmodell Änderungen zu prüfen. Allerdings ist die Union seit langem gegen eine dauerhafte doppelte Staatsbürgerschaft - an dieser Haltung habe sich nichts geändert, hieß es nun aus der Fraktion. Der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff sagte: „Die Abschaffung des Optionsmodells jetzt zu fordern, ist absurd. Es gibt noch keine ausreichenden, verwertbaren Daten zur Anwendung des geltenden Gesetzes.“ Man werde die Erfahrungen auswerten und dann die rechtlichen Fragen prüfen, sagte Wolff.