Julian Fellowes hat den Quotenhit „Downton Abbey“ geschaffen. In England entsteht gerade die vierte Staffel. Im deutschen Fernsehen war schon die erste Staffel an Weihnachten ein großer Erfolg.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Sobald der Schnee schmilzt, werden in Highclere Castle wieder die Kameras anrollen. Im Schloss in der Grafschaft Hampshire bereitet man sich auf die vierte Staffel von „Downton Abbey“ vor. Auf Highclere nämlich, und nicht droben in Yorkshire, ist „Downton Abbey“ angesiedelt – die Schlossherren- und Dienstboten-Serie, die Britanniens kommerzieller Sender ITV vor drei Jahren konzipiert hat.

 

Damals, 2010, als man im Schloss Highclere die ersten Episoden drehte, war sich der Erfinder der Serie, Julian Fellowes, nicht sicher, ob überhaupt jemand die Sache sehen wollte. Inzwischen warten nicht nur elf Millionen britischer Fernsehzuschauer ungeduldig auf die vierte Staffel. Fans in mehr als hundert Ländern interessieren sich für das Schicksal des Adelsclans Grantham und seiner Dienstboten – auch in Deutschland. An Weihnachten hat das ZDF die erste Staffel ausgestrahlt.

Sehnsucht nach anderen Zeiten

Die halbe Welt kennt heute die Fassade von Highclere Castle. Die Auffahrt, an der der Butler Carson und sein Dienstbotentrupp stolz Aufstellung nehmen. Den Park. Den Speisesaal. Den feinen Salon, in dem Lord und Lady Grantham ihre Sorgen besprechen. Oder in dem die verwitwete Countess of Grantham beim Tee spöttelnde Worte in die Konversation streut. So vertraut sind die Figuren dieser Serie ihren Fans geworden, dass während der Ausstrahlungsperioden die Nation montagsmorgens am Telefon und auf den Straßen die Zukunft Lady Marys – der älteste Tochter aus dem Hause Grantham – debattiert.

Vielleicht, spekuliert Julian Fellowes, habe der Erfolg seiner Serie ja mit dem wirtschaftlichem Ungemach allerorten zu tun: „In einer Ära größerer Ungewissheit wird man wohl leicht nostalgisch. Da sehnt man sich nach Zeiten, die einem sicherer vorkamen.“ Zeiten, in denen jeder noch seinen ihm zugewiesenen Platz hatte. So ein Gesellschaftsbild liefert Fellowes nämlich.

Zuerst belächelt – jetzt ein Erfolg

Als rundum belächelnswertes und oft ganz unglaubwürdiges „Zuckerwerk einer erfundenen Vergangenheit“ ist „Downton Abbey“ bezeichnet worden. Die Schriftstellerin Victoria Coren hat die Serie als „eine Geschichte voll glücklich-kappenschwenkendem Plebs, garstigen Bürgersleuten und einer engelsgleichen Oberschicht“ beschrieben. Der Historiker Simon Schama hat sie eine „dampfende, silbern glänzende Suppenterrine voll Snobismus“ genannt. Fellowes hält solche Kritik für „ewig negative Krittelei der Linken“. Schon während seiner mäßig erfolgreichen Schauspielerkarriere hätten ihm hartnäckige Anti-Tory-Ressentiments in der Zunft den Weg zu den besseren Rollen verstellt, klagt er.

Er selbst, Sohn eines Arabisten und späteren Shell-Managers, der auf dem Land nach eigenem Bekunden „eine privilegierte Kindheit mit Ponyreiten und Geburtstagstorte“ verlebte, hat sich zeitlebens dem konservativen Lager zugehörig gefühlt. Dem früheren Tory-Parteichef Iain Duncan Smith half er als Redenschreiber. Im Winter 2010, nach dem Start von „Downton Abbey“, wurde der heute 63-Jährige von Premierminister David Cameron mit dem Titel eines Lords auf Lebenszeit belohnt. Zuvor hatte sich Fellowes bereits mit dem Drehbuch zu Robert Altmans „Gosford Park“ einen Namen gemacht, für das er 2002 einen Oscar gewann. „Gosford Park“, eine Geschichte aus dem aristokratischen England der dreißiger Jahre, erwies sich als der Probelauf für „Downton“. 2004 wurde Fellowes auch Bestsellerautor. Und zwar mit einem Roman, der die Mühen einer Immobilienmaklerin beim Aufstieg in die britische Oberschicht illustrierte und der schlicht „Snobs“ betitelt war.

Auch Interesse an den „kleinen Leuten“

Offenbar sei der Autor stets „vom Thema Klasse besessen“ gewesen, sinnierte Londons rechtsorientierte „Daily Mail“. Den Grund dafür sieht das Blatt in Fellowes Herkunft. Die Ahnen des „Downton“-Erfinders hätten nicht selbst dem Adel angehört, wie Fellowes manchmal angedeutet habe, sondern seien Bedienstete auf einem Landgut gewesen – kleine Leute, die sich von Taglöhnern zu Gutsverwaltern emporgearbeitet hätten.

An sozialem Ehrgeiz hat es der Familie jedenfalls nie gefehlt. So legte sich bereits Jim Jones, Fellowes Großvater, ein simpler Stadtschreiber, den vornehmer klingenden Namen James Stuart-Jones zu. Fellowes Vater Peregrine besorgte sich in den siebziger Jahren den Titel eines „Lord of the Manor“, einen Titel, über den der echte Adel in England die Nase rümpft.

Peregrine Fellowes war es auch, der in zweiter Ehe die Witwe eines Barons heiratete – was der Familie erstmals Zugang zur Oberschicht verschaffte. Sohn Julian wiederum, ohne jegliche aristokratischen Wurzeln, konsolidierte seine gesellschaftliche Position durch seine Heirat mit Emma Joy Kitchener, einer Nichte des letzten Grafen von Khartoum, die Kammerfrau der Prinzessin Michael of Kent war. Seit 2010 darf Fellowes nun auch den auf Lebenszeit verliehenen Titel eines Baron Fellowes of West Stafford tragen. Als Angehöriger des sogenannten Arbeitsadels sitzt er seither mit auf den Tory-Bänken im Oberhaus und stimmt für eine Regierung, die seiner Ansicht nach „ihre Sache vorzüglich“ macht. Jemand müsse die Leute davon überzeugen, „dass wir es uns in der Krise nicht weiter so gehen lassen können wie bisher“. Fellowes selbst hat sich indes einen großzügigen Landsitz zugelegt und ist von der Denkmalschutz-Behörde für seine „allzu grandiosen“ Ausbaupläne für den Dienstbotenflügel gerügt worden.

Damit hat Fellowes vor allem die Landsleute erzürnt, die in „Downton Abbey“ alles andere sehen als einen harmlosen Ausflug in eine lang verflossene Epoche. In Wirklichkeit, moniert etwa die „Observer“-Kolumnistin Barbara Ellen, dominiere die Klassengesellschaft bis heute das Leben in Großbritannien.

Zweifellos ist mit „Downton Abbey“ aber ein Traum David Camerons zur Fernsehserie geworden. Das „große Haus“ der Granthams hat sicher nicht zufällig Ähnlichkeiten mit der „großen Gesellschaft“, die der Tory-Premier immer wieder predigt. Dass „wir alle im gleichen Boot sitzen“, von den Grundbesitzern und Aristokraten bis hin zu den letzten Schuhputzern und Dienstmädchen, ist von Anfang an Camerons Slogan gewesen. Und es ist das Grundmotiv der Serie, mit der Julian Fellowes nun alle Rekorde bricht.