Dr. Motte hatte sich vorgenommen, die Podiumsdiskussion in Stuttgart zur Gebührenerhöhung der Gema aufzumischen – und das gelingt ihm noch bevor die ersten Diskussionsteilnehmer auf ihren Plätzen sitzen.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Stuttgart - Matthias Roeingh zieht seinen kleinen Koffer durch eine Veranstaltungslounge auf der Messe. Auf dem schwarzen Gepäckstück prangen zwei Aufkleber, einer gegen Stuttgart 21 und einer, auf dem teilt Matthias Roeingh der Welt mit: „Techno changed my life“. Matthias Roeingh kennt hier auf den Fildern in Stuttgart keiner unter diesem Namen, und doch klopfen ihm alle auf die Schulter. „Hey Motte!“ Dr. Motte, ein Gast auf der Durchreise in Stuttgart, hat sich vorgenommen, die Podiumsdiskussion zur Gebührenerhöhung der Gema aufzumischen. Und das gelingt ihm noch bevor die ersten der Diskussionsteilnehmer der vom Büro Südwind organisierten Veranstaltung überhaupt auf ihren Plätzen sitzen.

 

Der 52-jährige Berliner DJ Dr. Motte hat einst die Love-Parade erfunden. Jetzt ist er sauer. Um die Gema, das Urheberrecht, um den ganzen Kulturbetrieb geht es ihm. Schon bevor sich Jürgen Baier von der Gema auf seinen Platz am Podium setzt, wird er von Dr. Motte angegangen, die Kameras halten drauf: „Von wann ist denn das Recht, mit dem Sie argumentieren? Aus den 60er Jahren! Sie sind noch nicht mal im Internetzeitalter angekommen“, ruft Dr. Motte.

Zur sachlichen Diskussion kommt es nicht

Zu Beginn noch geht es ordnungsgemäß zu, und die Vertreter auf dem Podium stellen sich mit wenigen Sätzen vor: Jürgen Baier will die umstrittene Tarifreform der Gema (wir berichteten) erklären. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann sieht sich als Vermittler zwischen den Fronten, der DJ Martin Eyerer vertritt die Seite der Künstler, die ihre Urheberrechte sichern wollen. Und Michael Presinger, der Betreiber des Clubs Perkins Park, will erklärt bekommen, warum Clubs nach der neuen Regelung von 2013 an teilweise bis zu sechsmal mehr als bisher an die Gema bezahlen sollen.

So weit die Theorie. Doch zur „fairen, sachlichen Diskussion“, die sich Moderator Bert Boll vom Verband für Unternehmen und Selbstständige wünscht, kommt es an diesem Nachmittag nicht.

„Das ganze Geld an Dieter Bohlen“

„Ich stelle fest, diese Diskussion wird sehr emotional geführt“, meint der CDU-Politiker Stefan Kaufmann. An diesem Punkt hat Michael Presinger das Podium bereits verlassen. „Soll es jetzt um Urheberrechte oder um Verwerterrechte gehen, ich glaube, ich bin bei der falschen Veranstaltung“, sagt der Clubbetreiber und packt seine Sachen. Dr. Motte, obwohl nur Zuschauer, meldet sich immer wieder zu Wort oder ruft dazwischen. Jürgen Baier versucht zu erklären, dass die Gema es künftig für kleinere Veranstalter billiger mache und für große teurer. Die Gema hat gerechnet: Pro Quadratmeter Club wird von einem zahlenden Gast ausgegangen. 100 Quadratmeter stehen dann für 100 zahlende Gäste. Beträgt der Eintritt zehn Euro, kann also von einem Umsatz von 1000 Euro ausgegangen werden. 10 Prozent von diesen Geldern will die Gema künftig von den Clubs verlangen, zusätzlich will sie Zeitzuschläge einführen. Am Ende bringt es dann Tomas Aulicky, Mitveranstalter des Stuttgart Elektronik Music Festivals (SEMF), aus den Reihen des Publikums auf den wunden Punkt, der viele im Musikbusiness schmerzt: „Wir haben schon bisher nicht verstanden, wofür wir die Gebühren bezahlen sollen, weil uns unsere Künstler immer wieder sagen, dass bei ihnen davon nichts ankommt.“ Genau das sei das Problem: Die Gema habe gerade bei elektronischer Musik überhaupt keinen Überblick, was wo gespielt werde und an wen die Ausschüttungen also gehen sollten. „Am Ende haben wir dann das Gefühl, wir zahlen das ganze Geld an Dieter Bohlen“, sagt Tomas Aulicky.

Dr. Motte und ein Großteil der Zuhörer haben zu diesem Zeitpunkt bereits die Diskussion verlassen. Vor der Tür hält Motte mit dem Koffer in der Hand Pressevertretern einen Abschlussvortrag: So könne es nicht weitergehen. „Deutschland braucht eine Diskussion über das Urheberrecht im 21. Jahrhundert. Wir können nicht mehr mit den Regeln der 60er Jahre arbeiten.“