Die Umweltstaatssekretärin Schwarzelühr-Sutter (SPD) kommt aus Waldshut – und kennt die Sorgen der Grenzbewohner genau: Es geht um Atomkraft und Fluglärm in der Schweiz.

Stuttgart - Die Fernwirkung der politischen Entwicklung in Nachbarländern oder anderen EU-Staaten hat das Bundesumweltministerium schon immer beschäftigt. So hat Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), parlamentarische Staatssekretärin im Umweltressort, bei einem Redaktionsbesuch unserer Zeitung mehrere heiße Eisen angesprochen: Mit „Sorge“ betrachte das Ministerium die Entwicklung in Ungarn, wo die Regierung per Gesetz sicherheitsrelevante Entscheidungen der nationalen Atomaufsicht entziehen will – das hätte Folgen auch für den geplanten Bau und Betrieb des Atommeilers Paks II. Andererseits steht ein schwelender Konflikt mit Frankreich wegen des Altreaktors Fessenheim kurz vor dem Ende, seit sich der Energiekonzern EDF auf eine Entschädigungsregelung mit dem Staat im Fall einer Stilllegung geeinigt hat. Sie hoffe, sagte Schwarzelühr-Sutter, dass „Präsident Francois Hollande sein Versprechen der Schließung von Fessenheim noch wahr macht“. Rita Schwarzelühr-Sutter stammt aus Waldshut, weshalb ihr die „Nachbarschaftskonflikte“ mit der Schweiz gut vertraut sind – davon gibt es mindestens drei:

 

Atomkraftwerk Leibstadt

Nur vier Kilometer von Waldshut liegt das Atomkraftwerk Leibstadt im Kanton Aargau, dass laut einem Bericht des Schweizer Fernsehens (SRF) Mitte Februar nach einer langen Pause wegen einer Panne mit überhitzten Brennelementehüllen wieder hochgefahren werden soll. Die Umweltorganisation Greenpeace hält das für riskant, denn im SRF-Beitrag hatte der Kraftwerksdirektor eingeräumt, dass die Ursache für die „systemisch-kritischen Siedezustände“ – ein sogenannter „Dry out“ – nicht gefunden sei, die Suche könne noch Monate dauern. „Jeder Staat ist souverän. Wir vertrauen darauf, dass die Atomaufsichtsbehörde in der Schweiz nur ein sicheres Kraftwerk wieder hochfahren lässt“, sagte Schwarzelühr-Sutter. Sie ergänzt: „Es ist uns wichtig, dass man die Ursachen für den Dry-out nachvollziehbar erklärt.“

Im übrigen, so Schwarzelühr-Sutter, drücke sie der Schweizer Energieministerin Doris Leuthard die Daumen, dass deren Energiestrategie 2050 angenommen werde: In ihr steht ein Ausbau der erneuerbaren Energien im Mittelpunkt, ein Neubau von Akw ist nicht geplant. In einer Volksabstimmung hatten die Schweizer 2016 ein frühzeitiges Abschalten ihrer fünf Atommeiler abgelehnt. Vor allem der Betrieb des seit 47 Jahren laufenden Akw Beznau – auch in Grenznähe – ist deutschen Umweltpolitikern ein Dorn im Auge.

Endlager für Atommüll

In einem Suchverfahren bereiten sich die Schweizer auf den Bau eines Endlagers für hochradioaktiven Müll vor. Einer der drei möglichen Standorte – genannt Nördlich Lägern – liegt an der Grenze zu Baden-Württemberg bei der Gemeinde Hohentengen am Hochrhein (Kreis Waldshut-Tiengen). In 900 Meter Tiefe könnte das Lager errichtet werden. Rita Schwarzelühr-Sutter fordert hierzu mehr Informationen vom Bundesamt für Energie der Schweiz. „Wir verlangen in einem Umweltbericht darüber Auskunft, welche radiologischen Auswirkungen das Lager haben könnte.“ Der Einlagerungsprozess werde lange dauern, es genüge nicht zu wissen, wieviele Lastwagen den Standort künftig ansteuern.

Dass auch auf deutscher Seite im südbadischen Hegau ein Atommüllendlager entstehen könnte, hält Schwarzelühr-Sutter für wenig wahrscheinlich: „Aufgrund der geringen Mächtigkeit des Opalintongesteins im Hegau kann ich mir nicht vorstellen, dass dort der sicherste Standort ist.“ Man beginne in Deutschland mit der Suche nach einem Endlager mit einer weißen Landkarte, wenn das Standortauswahlgesetz vom Bundestag verabschiedet sei.

Fluglärm von Zürich

Für die Bürger in Südbaden ist der Lärm des Flughafens Zürich ein Ärgernis. Seit Jahren liegt ein vom früheren Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) vereinbarter Staatsvertrag mit der Schweiz hierzu auf Eis, und das sei gut so, sagt Schwarzelühr-Sutter, denn der sei „grottenschlecht“ für die deutsche Seite gewesen. Für den Flughafen – der wegen seiner sich kreuzenden Pisten nicht einfach anzufliegen ist – sei das sogenannte Ostanflug-Konzept beantragt worden. Von dem sei eine „Zunahme des Lärms“ zu erwarten, sagt die Staatssekretärin. Südbaden habe sich dagegen positioniert, aber auch die Kantone Aargau und Zürich haben den Bundesrat aufgefordert, nach alternativen Flugrouten zu suchen. Verhandlungen mit der Schweiz seine Sache des Verkehrsministeriums, auch das Bundesamt für Flugsicherung muss neuen Routen zustimmen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe gesagt, er werde keinem Konzept zustimmen, dass für Südbaden eine höhere Lärmbelastung bringe. Man werde ihn beim Wort nehmen.