Sagenhafte 15 Spiele hintereinander haben die Stuttgarter Kickers in der dritten Fußball-Liga nicht gewonnen. Jetzt ist der Negativlauf durch ein 2:0 über Hansa Rostock gestoppt – und die Kickers haben wieder Hoffnung.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Wenn Halbzeit ist auf dem Kickers-Platz, dann gibt es auf der Haupttribüne einen besonders eisernen Besucher. Während sich die versammelte Gemeinde der Edelfans zum Schlemmen in den vorgewärmten VIP-Raum zurückzieht, harrt Rainer Lorz mit zwei, drei Getreuen an seiner Seite auf seinem Platz aus. Anders als der große Axel Dünnwald-Metzler, der sich stets auch ein wenig selbst inszenierte, ist der aktuelle Kickers-Präsident ein eher zurückhaltender Charakter. Also hat Rainer Lorz zuletzt still vor sich hin gelitten. Doch damit war es am Samstagnachmittag endlich vorbei. Nach 15 Spielen ohne einen Sieg haben die Kickers beim 2:0 (1:0) über Hansa Rostock tatsächlich mal wieder gewonnen.

 

„Das war schon eine einzigartige Negativserie – und ich bin froh, dass sie vorbei ist. Neben dem Sieg zählt, dass wir auch wieder stabiler stehen“, sagte der Präsident, nachdem die Blauen ihre atemberaubende Talfahrt gestoppt haben. Am 11. September ist es nämlich gewesen, dass sie sich beim Tabellenletzten der dritten Fußball-Liga zuletzt über einen dreifachen Punktgewinn haben freuen dürfen. Das war am achten Spieltag nach einem 1:0 über den FC Magdeburg, an einem Freitagabend, an dem die Kickers vorübergehend auf den zweiten Tabellenplatz geklettert waren.

Schlusslicht sind die Kickers zwar auch nach dem 2:0 über den Drittletzten Rostock noch immer – doch die Konkurrenz im Abstiegskampf, zu der neben den Rostockern auch der Vorletzte VfB Stuttgart II zählt, die ist nun wieder in Sichtweite. „Siege geben einem immer ein wenig Zeit“, sagte der Trainer Tomislav Stipic, der im achten Spiel unter seiner Regie den ersten Dreier holte – und daher kurz durchatmen darf.

Eine mittelmäßige Leistung reicht zum Sieg

Doch es spricht für den Trainer, dass er die Situation trotz der allgemeinen Erleichterung realistisch einschätzte. „Es war nur eine mittelmäßige Leistung von uns“, sagte Stipic: „Beim 0:3 in Aalen in der Vorwoche waren wir in der ersten Hälfte viel besser. Doch diesmal hat der Gegner die entscheidenden Fehler gemacht.“

Tatsächlich eilte in der Anfangsphase des Spiels gleich der Rostocker Abwehrspieler Florian Esdorf den Kickers zu Hilfe, als er im Strafraum ein vermeidbares Foul an Edisson Jordanov beging. In Abwesenheit des verletzten Kapitäns Enzo Marchese war der fällige Elfmeter eine Sache des Interimskapitäns Fabian Baumgärtel, der stramm nach rechts oben schoss – und somit eiskalt zum 1:0 (11.) verwandelte.

Überhaupt schien Baumgärtel, nach Marchese sowie den ebenfalls verletzten Marc Stein und Sandrino Braun die Nummer vier in der Kickers-Spielerhierarchie, die Kapitänsrolle zu beflügeln. Immerhin wurde der etatmäßige linke Verteidiger vor 5020 Fans im Gazi-Stadion gegen Rostock aufgrund der langen Ausfallliste an der Seite des ebenfalls stark spielenden Hendrik Starostzik als Innenverteidiger eingesetzt. Gemeinsam hatte das zentrale Abwehrpärchen großen Anteil daran, dass die Defensive sicher stand.

Das lag zum anderen Teil aber auch an den schwachen Gästen von der Ostsee, die den Kickers-Torhüter Rouven Sattelmaier über die gesamten 90 Minuten nur einmal mit einem Flachschuss ihres Spielführers Tobias Jänicke ernsthaft prüften (15.). Wesentlich zielstrebiger waren da die Kickers, die in dem Winterneuzugang Klaus Gjasula einen starken Antreiber und Organisator gefunden haben. Aufgrund seiner Angewohnheit, seit einem Jochbeinbruch mit einem Kopfschutz zu spielen, obwohl er ihn längst nicht mehr braucht, wurde Gjasula bei seinem Ex-Club Offenbacher Kickers „Lord Helmchen“ genannt. Interessant wird es zu beobachten sein, wie Gjasula mit dem alten Leitwolf Enzo Marchese harmoniert, sobald dieser wieder topfit ist.

Neuzugang Bajram Nebihi kommt in Schwung

Ein zweiter Wintereinkauf, der dem Spiel der Kickers spürbar gut tut, ist der in Bayern aufgewachsene Kosovare Bajram Nebihi. Schließlich kommt der 27-Jährige, der zuletzt beim Zweitligisten Union Berlin nicht zum Zug kam, im offensiven Mittelfeld immer besser in Schwung. In der 65. Minute schaltete der mit einer starken Technik ausgestattete Nebihi im Anschluss an eine Ecke am schnellsten – und erzielte mit links per Drehschuss das 2:0. Zuvor war Fabio Leutenecker mit einem Distanzschuss am linken Pfosten gescheitert.

Die Kickers haben das Siegen fast verlernt

„Es ist ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Wie wir gewinnen, ist erst einmal egal“, sagte Fabian Baumgärtel, nachdem die Kickers auch die letzte Krisensituation überwunden hatten, indem Starostzik den Ball auf der eigenen Torlinie hatte klären können (75.). „Wir standen vor allem defensiv sehr gut“, sagte Edisson Jordanov, als der Stuttgarter Negativlauf endlich gestoppt war. „Ich hatte fast vergessen, wie sich ein Sieg anfühlt.“