Das Klinikum Stuttgart wehrt sich gegen die geplante Drogen-Ambulanz in der Kriegsbergstraße. Man fürchtet um die Blutzentrale nebenan.

Stuttgart - Im Tauziehen um die geplante Abgabe von synthetischem Heroin an Schwerstabhängige gewinnen die Befürworter des Standorts an der Kriegsbergstraße die Oberhand. Einer der Gründe dafür: das Klinikum der Stadt, das sich mit Nachdruck gegen die geplante Suchthilfeeinrichtung unweit ihrer Blutzentrale wehrt, betreibt selbst in unmittelbarer Nähe zwei Ambulanzen für Menschen, die mit HIV oder mit Hepatitis infiziert sind. Im Rat ist man über diese sehr unterschiedliche Bewertung ziemlich erstaunt.

 

Seit mehr als einem Jahr läuft die Suche nach einem Standort für die Heroinabgabe, lange vergeblich, bis man auf das städtische Gebäude Kriegsbergstraße 40 kam, das leer steht. Gegen diese Pläne macht das Klinikum der Stadt mobil, dessen Hauptstandort Katharinenhospital ebenfalls an der Kriegsbergstraße liegt. Die Sorge: die Drogeneinrichtung könnte die Blutzentrale gefährden, die um die Ecke liegt.

Wenig transparent

"Das ist doch höchst bemerkenswert", sagt Marita Gröger von der SPD über die Nachricht, dass das Klinikum selbst nebenan zwei Einrichtungen betreibt, deren Klientel nach der bisherigen Argumentation nicht weniger gefährlich wäre für die Blutspendeeinrichtung wie das der Drogenambulanz. "Da hat man durch das Weglassen von Informationen bisher offenbar versucht, Stimmung zu machen." Wie die anderen Mitglieder des Sozialausschusses hat die Sozialdemokratin erst kürzlich von den HIV- und Hepatitis-Ambulanzen erfahren. "Das Verfahren ist bisher wenig transparent und stark von Interessen geleitet gewesen", kritisiert die SPD-Stadträtin mit Blick auf die Haltung des Klinikums.

Auch Jochen Stopper von den Grünen war nach der jüngsten Information verwundert. Bis jetzt sei dem Krankenhausausschuss in der Sache vom Klinikum offenbar "doch sehr dramatisch berichtet worden", sagt der Grünen-Stadtrat. "Das Risiko ist wohl arg hochgespielt worden." Nicht anders sieht Philipp Hill von der CDU die Dinge. Nach dem, was man im Ausschuss jetzt wisse, sei es "nicht nachvollziehbar, warum die Heroinabgabe so negativ bewertet wird", sagt der CDU-Stadtrat.

Politik tendiert zur Kriegsbergstraße

Noch etwas haben die Mitglieder in der letzten Sitzung des Sozialausschusses vor der Sommerpause erfahren: Es liegt der Sozialverwaltung eine ausführliche Darstellung des Gesundheitsamtes Köln vor, wo sich seit vielen Jahren Drogenambulanz und Blutspendezentrale unter einem Dach befinden, ohne dass es Probleme gegeben hätte. Auf diesen Umstand hatte der Suchtmediziner Andreas Zsolnai hingewiesen, der die Heroinpraxis betreiben soll.

Ein Vergleich der beiden derzeit diskutierten Standorte - als Alternative zur Kriegsbergstraße40 hatte das Klinikum ein Gebäude am Bürgerhospital ins Spiel gebracht - hat offenbar klare Vorteile für die Kriegsbergstraße erbracht. So könnte die Heroinpraxis in dem Gebäude am Bürgerhospital nur vorübergehend etwa sechs Jahre untergebracht werden, weil der Klinikstandort in absehbarer Zeit aufgegeben wird und dort stattdessen ein Wohnquartier errichtet werden soll. Dadurch würde der Stadt ein Landeszuschuss in Höhe von etwa 100000 Euro für die notwendige Sicherheitseinrichtungen in der Praxis entgehen, der für Provisorien nicht bezahlt wird.

Interimslösung

Die Tatsache, dass am Bürgerhospital nur eine Interimslösung möglich wäre, ist eines der Argumente, weshalb die Fraktionen von SPD und CDU ohnehin schon eine gewisse Präferenz für die Kriegsbergstraße40 haben, deren Sanierung auf die kurze Frist teurer käme als die Räume im Bürgerhospital. Überdies könnte in der Kriegsbergstraße auch die Drogenberatung Release, die schon lange vergeblich nach Räumen sucht, eine neue Bleibe finden. Inzwischen neigt auch die Grünen-Fraktion zur Kriegsbergstraße als Praxisstandort. "Das wäre aufgrund der neuen Informationen nun politisch begründbar", sagt der Stadtrat Jochen Stopper.

Wie die anderen Fraktionen wollen auch die Grünen erst abwarten, wie die Debatte in der Verwaltung ausgeht. Das Sozialreferat von Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) kann inzwischen darauf verweisen, dass auch die neue Landessozialministerin Karin Altpeter (SPD) die Kriegsbergstraße für klar besser hält als das Bürgerhospital. Dies hat das erste Treffen von Altpeter und Fezer ergeben. Vor der Ratsentscheidung im Oktober sollen unter der Moderation des Sozialministeriums nochmals alle Beteiligten gehört werden. Am Montag kommen erstmals Isabel Fezer und Werner Wölfle (Grüne) zusammen, der Fezer bekanntlich in einer Kampfabstimmung um den Sozialbürgermeisterposten unterlag, nun aber zum Bürgermeister für Verwaltung und Krankenhäuser gewählt wurde.