Jahrelang haben Suchtberater nach einem Haus für ein neues Therapiezentrum gesucht. Die Suche endet an der Kriegsbergstraße. Zumindest dem Bezirksbeirat Mitte sind Entzugswillige willkommen.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Die Vorgeschichte verlief durchaus wechselhaft. Jedenfalls „sind wir unheimlich froh, endlich ein Quartier gefunden zu haben“, sagt Regina Walz vom Gesundheitsamt. Ein Quartier, in das Einrichtungen einziehen werden, deren Zweck ist, schwer Drogenabhängige von ihrer Sucht zu befreien.

 

Das Reizwort bleibt unausgesprochen in dieser Sitzung des Bezirksbeirats Mitte, der sich die Pläne erklären lässt: Heroin. Das Quartier, das letztlich gefunden wurde, ist ein ehemaliges Handels- und Geschäftshaus an der Kriegsbergstraße, schräg gegenüber des Katharinenhospitals. Dort soll an Süchtige nicht nur das inzwischen weithin bekannte Methadon ausgegeben werden, sondern auch Diamorphin. Das ist nichts anderes als künstlich hergestelltes Heroin.

Die Vorstellung, dass künftig täglich Junkies vor der Haustür herumlungern, brachte bei der Standortsuche regelmäßig die potenzielle Nachbarschaft in Rage. Ursprünglich sollte die Heroinabgabe in Stuttgart bereits im Frühjahr 2011 beginnen, aber Proteste verhinderten mehrere Standorte. „Wir beißen überall auf Granit“, sagte Ulrich Binder, der Leiter der Drogenberatung Release, im März vergangenen Jahres. Damals hatte sich sogar die Stadt gesträubt, eben jenes Haus an der Kriegsbergstraße zur Verfügung zu stellen. Sie hat den fünfstockigen Bau vor fünf Jahren gekauft. Seitdem steht er leer.

Nun sitzt Binder vor den Bezirksbeiräten der Stadtmitte und hört Ungewohntes: Einziger ernst zu nehmender Kritikpunkt an den Plänen für das Haus an der Kriegsbergstraße ist die Architektur. „Noch langweiliger kann die Fassade nicht sein, schade“, sagt der Christdemokrat Ersin Ugursal. Nicht nur äußerlich, auch im Inneren des Baus „hat die Gestaltung noch Spielraum“, meint Regina Maria Diebold für die Grünen – Spielraum nach oben. Die Drogensüchtigen sollen es schöner haben.

Ein Versäumnis kostet zusätzliche 100 000 Euro

Allerdings ist die architektonische Schönheit eine Frage des Preises. Das Haus muss ohnehin aufwendig umgebaut werden. Die Kosten dafür sind wegen eines denkwürdigen Versäumnisses schon höher als nötig. Die Stadt hat Winter um Winter versäumt, die Temperatur im Gebäude zumindest über dem Gefrierpunkt zu halten. Wegen Frostschäden müssen nun sämtliche Heizungsleitungen erneuert werden. Der Preis dafür ist auf 100 000 Euro kalkuliert. Der unter Nachlässigkeit zu verbuchende Posten „ist schon bekümmerlich“, sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle. Verantwortlich für das Gebäude ist das Liegenschaftsamt.

Rechnerisch machen jene 100 000 Euro recht genau vier Prozent der Gesamtkosten für den Umbau aus. Die sind auf rund 2,5 Millionen Euro kalkuliert. Zu den großen Posten gehört, dass das Haus einschließlich des Aufzugs behindertengerecht umgebaut werden und in einem Maß wärmegedämmt werden soll, das über die Vorgaben der Energiesparverordnung hinausgeht. Die Haustechnik wird ebenfalls erneuert. Als Lagerraum für die Drogenersatzstoffe wird ein Tresor eingebaut. Im Erdgeschoss ist ein Café geplant.

Der Betrieb soll 2014 beginnen

Die Bauarbeiten sollen im nächsten Jahr beginnen. 2014 soll das Haus bezugsfertig sein. Dann sollen insgesamt knapp 30 Mitarbeiter etwa 150 Abhängige betreuen. Die Drogenberater von Release werden ihr bisheriges Haus an der Neckarstraße verlassen und in die beiden oberen Stockwerke des neuen Zentrums einziehen.

Die Betreuung geht weit über die Ausgabe von Drogenersatz hinaus. Zu ärztlichen Leistungen – vom Verbandwechsel bis zur Sonografie – kommen eine psychiatrische Betreuung und Sozialberatung bis hin zur Vermittlung von stundenweiser Arbeit. Auch Angehörige können sich beraten lassen. Insgesamt „wird diese Einrichtung hohe Strahlkraft haben“, sagt Binder. „In den ersten Jahren sind sicherlich einige Delegationen zu Gast“.

Ursprünglich sollte ins Haus außerdem der Verein Lagaya einziehen, der sich um drogenabhängige Frauen bemüht. Dafür reichte der Platz nicht. Der Verein sucht eigene Räume, bisher vergeblich.