In Mexiko wurden in den letzten Jahren viele große Drogenbosse gefasst. Doch in das Machtvakuum stoßen nun kleinere Gruppen vor – die die Bevölkerung aufgrund ihrer Brutalität nicht minder fürchtet.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Stuttgart - Den mexikanischen Sicherheitskräften sind in weniger als einer Woche zwei führende Drogenbosse ins Netz gegangen. Am Mittwoch nahmen Einsatzkräfte in Monterrey den Anführer der berüchtigten „Zeta“-Bande fest. Auf Omar Treviño alias „Z-42“ hatte die Justiz ein Kopfgeld von umgerechnet 1,8 Millionen Euro ausgesetzt.

 

Treviño war 2013 nach der Festnahme seines Bruders Miguel Ángel Treviño („Z-40“) an die Spitze der Zetas gerückt. Mit seiner Festnahme ist nun der letzte Kopf der bekannten Führungsgeneration geschnappt. Es ist möglich, dass das blutrünstige Kartell nun in Splittergruppen zerfällt.

Kopflose Drogenkartelle

Einer nach dem anderen sind die großen Drogenbosse in den vergangenen Jahren entweder getötet oder festgenommen worden. Rund zwanzig sind es alleine, seit Präsident Enrique Peña Nieto Ende 2012 sein Amt angetreten hat. Allen voran Joaquín Guzmán Loera, alias „El Chapo“, der legendäre Anführer des Sinaloa-Kartells, des mächtigsten Verbrechersyndikats Mexikos. Er galt als einer der meistgesuchten Verbrecher der Welt, bis er Zielfahndern am 22. Februar 2014 ins Netz ging.

Aber haben die Festnahmen und Tötungen der großen Kartellbosse irgendetwas verändert? Geht die Gewalt in Mexiko zurück, wird der Drogenhandel eingedämmt? Immerhin: die Zahl der Morde sinkt. Seit dem tödlichsten Jahr 2011 haben sie um rund 25 Prozent nachgelassen, behauptet die Regierung. Die meisten Analysten bestätigen das.

„Die Ära der großen, national und global agierenden Kartelle ist vorbei“, prophezeit der unabhängige Sicherheitsexperte Alejandro Hope. „Die Folge ist aber eine Zersplitterung in kleine und gewalttätigere Banden.“ Diese könnten zwar den Staat als Ganzen nicht mehr herausfordern, aber sie seien in der Bevölkerung oft gefürchteter als die großen Kartelle. „Diese Gruppen sind blutrünstiger, haben mit Entführung, Erpressung und Menschenschmuggel andere Einkommensgrundlagen als den globalen Drogenschmuggel.“

Bergbau und Produktpiraterie als neue Nischen

Jüngstes Beispiel sind die „Guerreros Unidos“, jene Mafia im Bundesstaat Guerrero, die an der Verschleppung und mutmaßlichen Ermordung von 43 Studenten vor fünf Monaten beteiligt war. Und wenn die mexikanischen Kartelle in den vergangenen Jahren etwas bewiesen haben, dann, dass sie sich den Gegebenheiten anpassen können. „Im vergangenen Jahrzehnt ist das organisierte Verbrechen in Mexiko in Bereiche vorgedrungen, die lange undenkbar waren“, heißt es in einer Untersuchung der Rice-Universität in Houston aus dem vergangenen Jahr. Dazu gehörten Bergbau, Abholzung von Wäldern, Menschenschmuggel, Kidnapping, Produktpiraterie und Erpressung. So machten die illegalen Gruppen inzwischen Milliardenumsätze – neben dem Rauschgifthandel.

Jedenfalls sind sowohl die „Zetas“ als auch das Sinaloa-Kartell trotz ihrer „Enthauptung“ im Norden Mexikos groß in den Raub und illegalen Verkauf von Öl, Benzin und Gas eingestiegen. Beide Gruppen machen wie eh und je ihre Gewinne – die Schläge gegen ihre Führungsfiguren haben ihre Kapazitäten offenbar kaum beeinträchtigt.

Dafür benötige es „starke Institutionen“, sagt Mary Speck vom Thinktank International Crisis Group. Trotz der Festnahmen der Bandenchefs bleibe das die wirkliche Herausforderung der Regierung: eine unbestechliche Polizei aufzubauen, einen funktionierenden Rechtsstaat und Strukturen, um gegen die Finanznetze der Kartelle vorgehen zu können.