Die Drogen-Szene im Leonhardsviertel ist vital und betrifft indirekt auch die Jakobschule. Die Rektorin und die Eltern fordern daher dringend Hilfe von der Stadt und der Polizei.

Stuttgart - Bis zuletzt blieb die Rektorin der Jakobschule auf Tauchstation. Claudia Dobrich-Hoier fürchtete, Transparenz könne dem Ruf der Schule schaden. Doch nun, da sich die Missstände nicht nachhaltig verbessern, trat Claudia Dobrich-Hoier zusammen mit ihrer Elternbeiratsvorsitzende Mihaela Manachidis vor den Bezirksbeirat Mitte. „Ich bin sehr besorgt“, sagt die Schulleiterin, „denn die Sicherheit der Kinder ist gefährdet, wenn solche Dinge auf dem Schulweg liegen.“

 

Mit „Dingen“ meint sie blutverschmierte Spritzen der Drogenabhängigen, die regelmäßig rund um die Jakobschule zu finden sind. Um die Brisanz deutlich zu machen, haben die Eltern begonnen, die Geschehnisse und das Besteck der Drogenszene zu dokumentieren. Sie machten Fotos von Spritzen und drehten Videos von Abhängigen, die vor den Beeten der Schule mutmaßlich nach Drogen suchen.

Eltern fühlen sich von der Polizei nicht ernst genommen

Die Dokumentation hat Gründe. Die Eltern und die Schulleitung stießen bis zuletzt mit ihren Sorgen bei den zuständigen Ämtern der Stadt und der Polizei auf taube Ohren. „Wir werden von der Polizei sogar als hysterisch bezeichnet. Für uns ist jetzt Schluss. Wir wollen von der Polizei ernst genommen werden. Wir kämpfen tagtäglich seit vier Jahren. Aber wir erreichen nur temporäre Lösungen“, sagt Mihaela Manachidis. Sie fordert dauerhafte Fußstreifen rund um die Schule, die eine abschreckende Wirkung auf Junkies und Dealer hätten: „Wir wollen, dass die Polizei nicht nur spazieren fährt.“

Die Dialoge mit der Polizei waren aus Sicht von Manachidis wenig zielführend. Als sie die Ratschläge der Beamten gehört hatte, dachte sie: „Das gibt’s doch gar nicht. Die haben gesagt, die Eltern sollen sich nicht so anstellen, einen Handschuh anziehen und die Spritzen in den Papierkorb werfen.“ Dafür haben die Eltern kein Verständnis. Man könne doch nicht einfach eine benutzte – und womöglich mit dem HIV-Virus oder Hepatitis infizierte – Spritze in den Müll werfen. „Man stelle sich vor, da greift ein Pfandsammler in den Mülleimer“, sagt eine Mutter, „das ist doch nicht auszudenken.“ Tatsächlich werden gebrauchte Spritzen selbst bei Ärzten gesondert entsorgt.

Polizei: „Viertel ist kein Brennpunkt“

Ein Sprecher der Stuttgarter Polizei sieht die ganze Sache differenzierter: „Der Bereich um die Jakobschule wird seit geraumer Zeit verstärkt überwacht. Sowohl die Beamtinnen und Beamten des Rauschgiftdezernats, als auch die der Polizeireviere und der Sicherheitskonzeption Stuttgart sind dort unterwegs und überwachen die Örtlichkeit sowohl in Uniform, als auch in ziviler Kleidung. Regelmäßig werden zudem Personenkontrollen durchgeführt und Anzeigen gefertigt.“ Eine Zuspitzung der Situation stellten die Beamten bislang nicht fest, so der Polizeisprecher. Weiter sagt er: „Wir werden auch weiterhin im Rahmen unserer personellen Möglichkeiten diesen Bereich bestreifen. Von einem Brennpunkt der Drogenkriminalität kann aus polizeilicher Sicht bei aller verständlichen Sorge aber nicht gesprochen werden.“

Gegenüber den Eltern soll die Polizei auch den Hinweis gegeben haben, man möge die Kinder über die Gefahren aufklären. Das empfindet man an der Jakobschule beinahe als Affront. „Wer gibt uns denn eine Garantie, dass unsere Kinder nicht doch aus Neugier, Spaß oder weil sie stolpern, mit den Spritzen in Berührung kommen?“, fragt eine Mutter, die selbst wegen eines Missgeschicks mit Hepatitis B infiziert wurde.

Letztlich fühlt man sich an der Jakobschule auch von der Stadt, konkret der Abfallwirtschaft (AWS), im Stich gelassen. Im Gespräch habe man den Eltern mitgeteilt, man müsse „selbst für die Reinigung der Gehwege sorgen“. „Die Eltern fühlen sich so nicht ernst genommen“, sagt Mihaela Manachidis und setzt noch einen oben drauf. Dass man ihr gesagt habe, dass diese Lebensumstände eben zu diesem Stadtteil gehörten, habe sie persönlich tief enttäuscht: „Das ist weder moralisch noch sozial.“ Die AWS meint dazu auf Anfrage: „Der komplette Gehwegbereich, der an die Jakobschule angrenzt, unterliegt der privaten Anliegerverpflichtung. Das heißt, die Schule ist verpflichtet die Reinigung des Gehwegs zu organisieren.“ Weiter heißt es in einer Stellungnahme: „Versuchsweise reinigt der Eigenbetrieb AWS derzeit die Wächterstaffel am Montagmorgen ohne finanzielle Ausgleichszahlung. Da es sich hierbei um eine Sonderleistung des Eigenbetriebs AWS handelt, ist allerdings im Vorfeld die Finanzierung zu regeln.“

Damit sind die Stadt und Schulbürgermeisterin Isabell Fezer (FDP) im Spiel. Auf eine Anfrage bezüglich der Situation sagt Fezer: „Die Sauberkeit und der Sicherheit aller Stuttgarter Schulen ist mir ein großes Anliegen.“ Fezer betont zudem, dass die Probleme im Umfeld der Schule und nicht auf dem Schulgrundstück bestünden.

Genau das monieren die Eltern. Und damit steht deren Forderung weiter im Raum: „Wir wollen diese Situation nicht länger dulden, wir sind an einem Punkt angekommen, wo es nicht mehr weitergeht. Es muss unbedingt eine Lösung gefunden werden“, sagt Manachidis und fügt mit Pathos hinzu: „Unsere Kinder sind unsere Zukunft. Wir sind verpflichtet, etwas zu tun. Auch wenn jeder nur einen kleinen Beitrag leistet.“