Wulff hat bei Chefredakteur Diekmann versucht, Bericht über Privatkredit zu verhindern.

Berlin - Bundespräsident Christian Wulff hat mit Drohanrufen bei der „Bild“-Zeitung neue Empörung ausgelöst. Das Staatsoberhaupt hat sich nach Angaben der „Bild“ Mitte Dezember persönlich bei Chefredakteur Kai Diekmann bemüht, einen Bericht der Zeitung über seinen umstrittenen Privatkredit zu verhindern und dem verantwortlichen Redakteur mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht.

 

Auch bei Springer-Chef Mathias Döpfner versuchte Wulff zu intervenieren. Vertreter von Opposition und Presseverbänden reagierten mit Unverständnis auf die Aktion.

Der Bundespräsident steht seit Wochen wegen eines Privatkredits des Unternehmerehepaares Egon und Edith Geerkens in der Kritik. Die „Bild“-Zeitung hatte im Dezember als erstes Medium darüber berichtet. In einer Erklärung des Blattes heißt es, die „Bild“-Zeitung habe Wulff vor der Veröffentlichung Gelegenheit zu einer ausführlichen Stellungnahme gegeben. Diese habe der Präsident am 12. Dezember zunächst abgeben lassen, dann aber kurz vor Redaktionsschluss wieder zurückgezogen.

Nachricht auf der Mailbox hinterlassen

Im Anschluss daran habe Wulff versucht, Diekmann per Telefon direkt zu erreichen. Als das nicht gelang, habe Wulff eine längere Nachricht auf der Mailbox des Chefredakteurs hinterlassen. Darin habe er sich „empört“ über die Recherchen zu dem Kredit gezeigt und unter anderem mit strafrechtlichen Konsequenzen für den verantwortlichen Redakteur gedroht.

In der wütenden Botschaft stellte Wulff nach dapd-Informationen den „endgültigen Bruch“ mit dem Verlag in Aussicht, falls die „unglaubliche“ Geschichte tatsächlich erscheine. Auch sollen die Worte „Krieg“ und „Rubikon“ gefallen sein.

Wenige Tage später bat Wulff Diekmann laut „Bild“ in einem Telefonat persönlich um Entschuldigung für Ton und Inhalt seiner Mailbox-Nachricht. Deshalb habe man „nach breiter redaktioneller Debatte davon abgesehen, eigens über den Vorfall zu berichten“, hieß es weiter von der Zeitung. Dies habe jedoch keinerlei Auswirkungen auf die weiteren Recherchen in allen offenen Fragen.

Auch den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Döpfner, habe Wulff kontaktiert, sagte ein Sprecher des Konzerns der Nachrichtenagentur dapd. Er bestätigte damit einen Bericht von „Spiegel Online“. Wulff bat Döpfner demnach, bei Diekmann Einfluss zu nehmen, damit der Artikel nicht erscheine. Der Konzernchef habe allerdings auf die Unabhängigkeit der Redaktion verwiesen. Unbeirrt von den Anrufen veröffentlichte die „Bild“-Zeitung am 13. Dezember ihren Bericht über Wulffs Kredit.

"Pressefreiheit ist ein hohes Gut"

Vom Bundespräsidialamt kam am Montag nur eine knappe Mitteilung zu dem Vorfall. „Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut“, hieß es darin. Wulff habe deshalb zu den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten „Transparenz hergestellt, Erklärungen abgegeben“ und mehrere Hundert Medienanfragen beantwortet. „Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident aber grundsätzlich keine Auskunft.“

Die Parteien und Fraktionen hielten sich mit Stellungnahmen zu dem Vorfall demonstrativ zurück. Einzelnen Politikern geht die jüngst bekanntgewordene Aktion aber zu weit. Der FDP-Parlamentarier Erwin Lotter, der sich bereits im Dezember mit einer schnellen Rücktrittsforderung hervorgetan hatte, hält Wulff endgültig für untragbar. „Der Präsident muss Schloss Bellevue räumen und als Privatmann ohne lebenslange Staatsapanage in sein Einfamilienhaus zurückkehren“, sagte Lotter. „Ich schäme mich, ihm meine Stimme gegeben zu haben.“

Auch in der SPD, die bislang auf allzu harte Schelte verzichtet hatte, wachsen die Zweifel an Wulff. Die SPD-Bundestagsfraktion forderte eine „persönliche Erklärung“ zu dem umstrittenen Anruf bei Diekmann. Es wäre „unwürdig“, wenn der Bundespräsident tatsächlich auf diese Art versucht haben sollte, kritische Berichterstattung zu unterbinden, sagte Fraktionsvize Hubertus Heil. Der Generalsekretär der rheinland-pfälzischen SPD, Alexander Schweitzer, sagte an die Adresse von Wulff, entweder er befreie das Land von „dieser peinlichen Debatte“, oder „er zieht zurück in sein Einfamilienhaus“.

"Das ist alles nicht schön"

Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, beklagte: „Das ist alles nicht schön, und es beschädigt ihn als Person und das Amt.“

Kritik kam auch vom Deutschen Journalistenverband. „Prominente müssen sich kritische Berichterstattung als Teil der Meinungsfreiheit gefallen lassen“, sagte der Vorsitzende Michael Konken. „Das müsste niemand besser wissen als der erste Mann im Staat.“ Der Deutsche Presserat bezeichnete Wulffs Vorgehen als bedenklich. Geschäftsführer Lutz Tillmanns sagte dem Hörfunksender MDR Info, auch Wulff müsse sich eine kritische Berichterstattung über seine Person gefallen lassen.