Der Verteidigungsminister Thomas de Maizière weist in der Drohnen-Affäre persönliche Schuld von sich. Welche Konsequenzen er zieht, bleibt vage. Wir klären die wichtigsten Fragen rund um das Euro-Hawk-Desaster.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es sich bei der Rüstungsbranche um ein Geschäft handelt, das so übersichtlich ist wie ein Dschungel, so liegt dieser Beweis jetzt vor. Auf 83 Seiten hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Affäre um den gescheiterten Kauf der Aufklärungsdrohne Euro Hawk dokumentieren lassen. Es bedurfte allein mehrerer Seiten an Erläuterungen zu den Kürzeln, mit der die beteiligten Instanzen, einschlägige Richtlinien und andere Details bezeichnet werden. Eine Behörde, die als BAAINBw firmiert, berichtet BMVgAINV5 über SLWÜA – so liest sich das. Auf diese Weise kommt die Wahrheit nur sehr verschlüsselt ans Tageslicht.

 

Wie bewertet der Minister das Scheitern? Für de Maizière ist der Umstand, dass Mitte Mai die Notbremse gezogen wurde, eine „richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt, die fehlerhaft zustande gekommen ist“. Er hält es für „richtig, erst alle Möglichkeiten auszuloten und auszuschöpfen, um zu einer Lösung des Problems zu kommen, bevor man ein ganzes Projekt stoppt“. Es sei auch kein Fehler gewesen, sich von den Herstellern zehn Jahre lang hinhalten zu lassen. Entwicklungsverträge solcher Art seien bei einem hochkomplexen Projekt „auch um den Preis des Scheiterns“ richtig. An der Notwendigkeit, für die Bundeswehr eine Aufklärungsdrohne zu beschaffen, lässt der Minister keinen Zweifel. „Wir brauchen diese luftgestützte Aufklärung, um durch Informationsüberlegenheit zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung beizutragen“, heißt es in seinem Bericht. Der Bedarf bestehe weiter. Die Kosten für den letztlich nicht realisierten Euro Hawk sind von 371 auf 662 Millionen Euro gestiegen. 100 Millionen seien noch nicht bezahlt. 360 Millionen entfielen auf das deutsche Aufklärungssystem Isis, mit dem die Drohne ausgestattet werden sollte. Dieses Geld sei sinnvoll angelegt.

Wie beurteilt er seine eigene Rolle? Minister de Maizière ist nach eigener Darstellung erst am 13. Mai 2013 von seinen Staatssekretären darüber informiert worden, dass diese entschieden haben, das Drohnenprojekt platzen zu lassen. „Es gab zuvor keine Vorlage an den Minister mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme oder überhaupt zum Gesamtproblem“, heißt es in dem Bericht. Von den Schwierigkeiten, in Deutschland für die Drohnen eine Lizenz zum Fliegen zu erhalten, will der CDU-Politiker erstmals am 1. März vergangenen Jahres gehört haben. Damals seien diese Probleme jedoch „als lösbar dargestellt“ worden. Fazit: „Ich wurde unzureichend eingebunden.“

Wer ist schuld an der Pleite? Für Minister de Maizière liegt das Problem mit den Aufklärungsdrohnen „in seinen Ursprüngen mehr als ein Jahrzehnt zurück“. Die ersten Entscheidungen wurden 2002 getroffen. Damals war der inzwischen verstorbene Peter Struck Verteidigungsminister, ein Sozialdemokrat. Unter Struck seien auch die Auflagen an die Hersteller „abgeschwächt“ worden. Allerdings hätten das damals nicht der Minister selbst, sondern seine Staatssekretäre und der Generalinspekteur der Bundeswehr entschieden. Der Entwicklungsvertrag mit der Euro Hawk GmbH wurde 2007 unter dem CDU-Minister Franz Josef Jung unterzeichnet. Für de Maizière wurden die Weichen in der Frühphase des Projektes falsch gestellt. „Hier liegt der eigentliche Geburts- und Konstruktionsfehler.“ Bei Auftraggebern und Herstellern hätten „unterschiedliche Vorstellungen über die Anforderungen“ bestanden. Fazit des Berichtes: „Hier gingen von Beginn an zwei Vertragspartner mit so unterschiedlichen Vorstellungen an die gleiche Sache heran, dass hier der Keim der zunehmend wachsenden Probleme gelegt war.“

Wie verliefen die Entscheidungen? Offenbar war seit geraumer Zeit unklar, wie funktionstüchtig der Euro Hawk ist und ob er überhaupt eine Zulassung für den deutschen Luftraum erhalten kann. Im Verlauf des gesamten Projekts habe es „stets eine Abwägung zwischen dem Risiko des Scheiterns wegen der Zulassungsprobleme und dem Potenzial der Erprobung“ gegeben, so der Untersuchungsbericht. Bis ins vergangene Jahr hinein hätten die beteiligten Experten „keine eindeutige Bewertung“ über die Beherrschbarkeit der Risiken abgegeben. Um die Jahreswende 2011/12 habe das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung auf einen „deutlich erhöhten Finanzbedarf“ hingewiesen. Damals war von 500 Millionen Euro die Rede

Über diese Kostenrisiken und die Schwierigkeiten, eine Fluglizenz für die Serienproduktion zu erlangen, sei die Leitungsebene des Ministeriums erstmals am 8. Februar 2012 informiert worden. Im Laufe eines Jahres hätten die Staatssekretäre dann versucht, das Projekt zu retten – auch um die weitere Entwicklung des deutschen Aufklärungssystems Isis nicht zu gefährden, das die Drohnen befördern sollten. Ende Dezember 2012 hätten sich dann Mehrkosten von 600 Millionen Euro abgezeichnet. Danach wurden Varianten für eine dauerhafte Zulassung ausgelotet. Als keine Lösung in Sicht kam, ließen die Staatssekretäre von Ende März 2013 an den Ausstieg vorbereiten. Den Schlussstrich zogen sie im Mai.

Welche Konsequenzen sind geplant? De Maizière lässt offen, ob am Ende auch Köpfe rollen werden. Er habe Anwälte beauftragt, „Rechtsansprüche aller Art gegen Beteiligte“ prüfen zu lassen. Dabei geht es auch um Schadenersatzansprüche. Bis Ende 2013 soll geprüft werden, wie das Aufklärungssystem Isis ohne Drohnen zum Einsatz kommen kann. Der Minister will eine militärische Luftfahrtbehörde schaffen, die Lizenzen für solche Gerätschaften vergibt. Als Ressortchef will er sich künftig regelmäßig Berichte über den Stand komplexer Rüstungsprojekte vorlegen lassen. Diese sollen auch den zuständigen Parlamentsausschüssen zukommen.