Im so genannten Krieg gegen den Terror setzen die USA immer öfter auf ferngesteuerte Drohnen. Ihre Ziele ähneln Gegnern im Computerspiel

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Seit Stunden hat das unbemannte Flugzeug das Zielgebiet umkreist. Kameras und Sensoren sind auf den Mann programmiert, der irgendwann zu seinem Haus kommen wird. Das Fluggerät kennt dessen Größe, dessen Gesichtszüge und Kleidung. Es weiß, wie viele Kinder der Verdächtige hat und wie alt sie sind. Als die Autotür sich öffnet, geht alles blitzschnell. In Sekundenbruchteilen ist das Personenprofil gescannt und mit den gespeicherten Informationen verglichen.

 

Genauso schnell läuft ein weiterer automatischer Check: Es sind keine Kinder in der Nähe. Der Computer gibt den Schuss frei. Die Lotsen im fernen Kommandobunker in den USA haben nur zugeschaut.

Noch gibt es keinen solchen vollautomatischen Killerroboter. In die am Freitag bekannt gewordene Tötung des Drahtziehers von Al-Kaida im Jemen waren noch Menschen involviert. Doch das Team aus einem Piloten und zwei Datennavigatoren, welches sich mit einer Drohne vermutlich schon seit Tagen an die Fersen des Topterroristen Anwar al-Awlaki geheftet hatte, saß höchstwahrscheinlich in der Luftwaffenbasis von Creech in Nevada mehrere

Zielobjekte ähneln Figuren in einem Computerspiel

Tausend Kilometer entfernt. Für die Amerikaner ist der Mann, der das Massaker auf dem Militärstützpunkt Fort Hood 2009 inspirierte, ein Strich auf einer langen Liste. US-Präsident Obama hat in Afghanistan, Pakistan, Irak, Jemen und Somalia schon mehr als 1800 solcher Tötungen angeordnet - darunter waren auch US-Staatsbürger, was rechtlich besonders umstritten ist. Bis zum vollautomatischen Raketenabschuss ist es nur noch ein kleiner Schritt.

Das Pentagon testet laut einem Bericht der "Washington Post" zurzeit Drohnen, die als autonome Kampfmaschinen agieren. Moralische Kriterien, wie der im fiktiven Beispiel beschriebene Schutz von Kindern, könnten ja einprogrammiert werden - so behaupten das jedenfalls die US-Militärs. "Die Aussicht, dass Maschinen in der Lage sein werden, auf sich selbst gestellt eine Umgebung zu erfassen, Entscheidungen zu treffen und selbstständig zu handeln, ist eine Herausforderung für das gegenwärtige Verständnis des humanitären Kriegsrechts", schreibt die "Washington Post".

Schon heute ist die Distanz zwischen denjenigen am Abzug und ihren Opfern enorm. Einen Abstand gibt es seit der Erfindung der Fernwaffen. Doch die unbemannten Flugzeuge treiben dieses Prinzip auf die Spitze. Für ihre Piloten, die selbst kein Risiko eingehen, ähneln die Zielobjekte den Figuren in einem Computerspiel. Für Politiker ist das verführerisch: Der Krieg ohne eigene Opfer rückt näher.

Obama nutzt das Instrumentarium intensiv

Seit einem halben Jahrhundert experimentieren die USA mit unbemannten Fluggerräten, im Militärjargon "Unmanned Aerial Vehicles (UAV)". Bereits im Vietnamkrieg flogen unbemannte Aufklärer. Doch seit Mitte der neunziger Jahre sind die immer raffinierteren Drohnen zu Tötungsmaschinen geworden - erst seither nimmt eine breitere Öffentlichkeit von ihnen Notiz. Rund 7000 unbemannte Flugzeuge verschiedenster Typen sind heute im Arsenal der USA. Vor zehn Jahren waren es weniger als 50. Immer noch haben die USA einen enormen technischen Vorsprung.

Barack Obama nutzt dieses Instrumentarium intensiv. Allein in seinem ersten Amtsjahr hat er mehr Angriffe mit den unbemannten Fluggeräten befohlen als George W. Bush in seiner gesamten Amtszeit. Drohnen passen perfekt zur Art und Weise, wie Obama seine Kriege führen will. Ohne Pathos, ohne amerikanische Opfer - aber effizient. Der Glaube an die Technologie geht so weit, dass der Geheimdienst CIA, der mehr noch als das Militär hinter vielen dieser Operationen steht, im August allen Ernstes behauptete, bei Drohnenangriffen seinen binnen eines Jahres in Pakistan 600 mutmaßliche Terroristen und Talibankämpfer getötet worden, ohne dass es ein einziges ziviles Opfer gegeben habe.

Alle Zeichen stehen auf Expansion. Die unbemannten Flugzeuge sind inzwischen so effizient, dass den Amerikanern laut einem Bericht der "New York Times" in Afghanistan die Ziele ausgehen. Immer öfter würden auch einfache Fußsoldaten der Taliban attackiert. Im Libyenkonflikt ermöglichten Drohnen den USA auch dann noch Einsätze, als sie sich offiziell zurückgezogen hatten. Erst vor wenigen Tagen haben US-Medien publiziert, dass neue Stützpunkte auf den Seychellen und der Arabischen Halbinsel einen großen Teil Arabiens und des indischen Ozeans zum Operationsgebiet machen.

Der jemenitische Al-Kaida-Chef ist tot

Topterrorist Anwar al-Awlaki ist ein jemenitischer Terrorist mit US-Pass. Er gilt seit Jahren als Vordenker des Terrornetzwerkes Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel. Durch seine Jugendjahre in den USA wusste er besonders gut, wie man kulturell entfremdete Muslime im Westen für den islamistischen Terror gewinnt. Er soll englischsprachige Islamisten im Jemen rekrutiert haben, um Anschläge im Ausland auszuführen.

Anstifter Al-Awlaki stand in Kontakt mit dem "Unterhosenbomber", der Weihnachten 2009 versuchte, eine Passagiermaschine über Detroit zu sprengen. Mehrfach rief er Muslime dazu auf, US-Bürger zu töten. Al-Awlaki soll zudem in Kontakt mit dem Amokläufer von Fort Hood gestanden haben, der 2009 auf dem US-Militärstützpunkt 13 Menschen getötet hatte. Im April 2010 ordneten die USA seine gezielte Tötung an.

Fehlschlag Der Vater des Terrorverdächtigen versuchte vergeblich, seinen Sohn auf juristischem Wege von der Liste streichen zu lassen. Ein US-Gericht verwarf seine Klage. Im Mai vergangenen Jahres hatte eine US-Drohne den Terroristen verfehlt. Nachdem ein Gericht im Jemen im November seine "gewaltsame Festnahme" angeordnet hatte, verschärften die Sicherheitskräfte des arabischen Landes ihre Jagd auf al-Awlaki.