Der Kampf um Strom- und Gaskunden scheint in Ludwigsburg eine neue Dimension erreicht zu haben: Offenbar ziehen Drückerkolonnen von Tür zu Tür.

Ludwigsburg - Der Kampf um Strom und Gaskunden scheint in Ludwigsburg eine neue Dimension erreicht zu haben. Offenbar haben von der Frankfurter RWE-Tochter Süwag beauftragte Drückerkolonnen in den vergangenen Wochen Bürger in Angst und Schrecken versetzt. Zwar räumt der Energieversorger ein, "externe Dienstleister" mit der Kundenwerbung beauftragt zu haben. Diese seien aber angehalten, sich korrekt zu verhalten.

 

Dies scheint bei den Drückern nicht angekommen zu sein. Eine 73-Jährige berichtet, dass Mitarbeiter der Süwag viermal versucht hätten, ihr mit Lügen einen neuen Strom- und Gasvertrag aufzudrängen. Die Frau möchte anonym bleiben. Ihr zufolge hatten die Vertreter behauptet, die Stadtwerke Ludwigsburg würden ihre Strom- und Gaslieferungen in dem Wohngebiet zwischen der Reichertshalde und der Marbacher Straße zum 12. Januar einstellen. Wer jetzt keinen Vertrag mit der Süwag abschließe, sitze dann im Dunkeln.

"Frei erfunden"

"Das ist ein frei erfundenes Verkaufsargument", stellt Bodo Skaletz klar, der Geschäftsführer der Stadtwerke. Er denke über eine Klage nach. Allerdings befürchtet er, dass er ohne Zeugenaussagen nicht weit kommen wird. "Wir haben keine Beweise für die Lügen, die sie unseren Kunden aufgetischt haben." Laut Skaletz ist es nicht das erste Mal, dass die Süwag, die eine Niederlassung in Ludwigsburg betreibt, durch unseriöse Geschäftspraktiken auffällt. Im Jahr 2010 hatten Drücker im Auftrag des Unternehmens Kunden der Stadtwerke in Kornwestheim belästigt und behauptet, die Stadtwerke würden ihre Preise drastisch erhöhen - eine Lüge.

Im Jahr 2009 gab es der "Frankfurter Rundschau" zufolge zwei Urteile der Landgerichte Wiesbaden und Frankfurt. Auch damals ging es um unlautere Geschäftspraktiken: Mal hatten sich die Vertreter als Mitarbeiter eines anderen Stromversorgers ausgegeben und dessen Kunden ihre Verträge untergejubelt, mal hatten sie behauptet, die Stadtwerke Hanau würden bald keinen Strom mehr liefern. Die Gerichte untersagten dem Unternehmen diese Art der Kundenwerbung.

Externe Dienstleister

Zum aktuellen Fall sagt ein Sprecher der Süwag, man arbeite wegen des zunehmenden Wettbewerbdrucks mit externen Dienstleistern zusammen, die Verträge mit Kunden abschlössen, auch in Ludwigsburg. Den Namen des Dienstleisters könne er aus vertragsrechtlichen Gründen nicht nennen. Die Beratungsleistung sei für die Kunden freiwillig, und man lege großen Wert auf Fairness, Freundlichkeit und Transparenz. Alle Mitarbeiter würden entsprechend geschult. Bis jetzt seien dem Unternehmen aus Ludwigsburg auch keine Beschwerden bekannt. Sollten sich aber Hinweise auf ein Fehlverhalten ergeben, gehe man dem nach. Vertreter, die sich ein Fehlverhalten hätten zuschulden kommen lassen, würden entlassen. Im Fall Hanau habe man beispielsweise einem Mann aus diesem Grund gekündigt. "Das sind also nicht bloß Worthülsen", so der Sprecher.

Die Kunden der Ludwigsburger Stadtwerke, die bereits belästigt wurden, haben davon freilich nichts. Mit jedem Besuch seien die Vertreter aufdringlicher geworden, erzählt die 73-Jährige aus der Reichertshalde. Die Drücker hätten auch die Nachbarn im Haus und in der Straße gegenüber belästigt. "Die zweite Vertreterin sagte zu mir: Sie werden doch nicht so dumm sein, ihr Geld den Stadtwerken zu geben", erzählt die Seniorin aufgebracht.

Ein Haus in Aufregung

Im ganzen Haus habe nach den Besuchen der Vertreter Aufregung geherrscht, sagt die Frau. Eine Nachbarin habe sich aus Angst zu einem Vertragsabschluss überreden lassen. "Sie spricht nicht so gut Deutsch, und die haben ihr versprochen, sie würde bis zu 300 Euro im Jahr sparen. Außerdem hatte sie Angst, ohne Strom und Gas dazustehen. Sie hat ein krankes Kind." Die Seniorin und die anderen Nachbarn wollen ihr nun helfen, den Vertragsabschluss wieder rückgängig zu machen.

Gerold Kohler, der Vertriebsleiter der Ludwigsburger Stadtwerke, befürchtet jedoch, dass sich sein Unternehmen künftig häufiger mit unfairen Wettbewerbern auseinandersetzen muss. Manche Internetstromanbieter greifen Gerold Kohler zufolge schon lange auf Drückerkolonnen zurück. Bei den regional tätigen Stromanbietern sei die Süwag aber wohl der erste. Allerdings habe er gehört, dass auch andere große Stromanbieter in der Region inzwischen darüber nachdenken würden, Kunden durch Haustürgeschäfte zu gewinnen, sagt Gerold Kohler.