Ein psychiatrischer Gutachter hat den Hauptbeschuldigten im Stuttgarter Dschihadisten-Prozess untersucht. Das Urteil am Oberlandesgericht wird für Ende März erwartet.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - In dem Verfahren gegen drei mutmaßliche Terrorhelfer am Oberlandesgericht ist am Mittwoch ein psychiatrischer Gutachter als Sachverständiger gehört worden. Die Expertise des Mediziners galt dem 27-jährigen Hauptbeschuldigten. Der war im Sommer 2013 bereits in Syrien gewesen und mit einer Einkaufsliste nach Deutschland zurückgekommen. Mit den besorgten Waren sollte er dann zurück nach Syrien kommen und sie den Kämpfern übergeben. Seine Verteidiger hatten im November beantragt, untersuchen zu lassen, ob der Mann unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, weil er vor seiner Festnahme zur Kampfausbildung in Syrien gewesen war.

 

In dem Verfahren müssen sich der Stuttgarter Ismail I. und ein Mann aus Mönchengladbach verantworten, die zusammen nach Syrien in den Kampf gegen das Assad-Regime ziehen wollten – zumindest hatten sie dafür Ausrüstungsgegenstände besorgt. Diese fand die Polizei bei den Männern im Kofferraum, als sie diese im Herbst 2013 auf der Autobahn stoppte und so von der Fahrt nach Syrien abhalten konnte. Der Bruder des Stuttgarters ist ebenfalls angeklagt. Er sollte Geld für das Vorhaben beschaffen, so die Anklage.

Keine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert

Der Arzt sieht keine posttraumatische Belastungsstörung bei Ismail I., den er zwei Tage lang untersucht hatte. Eine solche Krankheit werde – so die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – durch „Erlebnisse, die nahezu bei jedem Menschen Verzweiflung auslösen“, hervorgerufen, so der Sachverständige. Zum Krankheitsbild gehöre es, dass dieses Erlebnis in Träumen und Gedanken wieder und wieder durchlebt werde, respektive dass man Situationen vermeide, die solche Erinnerungen auslösen würden. All dies habe er beim Angeklagten nicht gesehen. Er erkenne allenfalls eine histrionische Persönlichkeitsstörung. Personen, die davon betroffen seien, erlebten vieles heftiger, aber ohne eine große emotionale Tiefe. Auch der Hang, zu dramatisieren, sowie der Geltungsdrang, gingen damit einher. Zudem sei das Verhalten des 27-jährigen Angeklagte noch sehr von Jugendtümlichkeit geprägt. Der junge Mann habe für sich noch keine Identität gefunden. All das erkläre, warum er bei einer Pilgerfahrt in Mekka anfällig war für die Anwerbung der Dschihadisten: Sie gaben ihm Orientierung und er fand Anerkennung bei ihnen.

Der Senat ließ erkennen, dass das Verfahren nun bald zu einem Ende kommen werde. Es ist kein weiteres Beweisprogramm mehr vorgesehen. Der Verteidiger des Mönchengladbachers stellte drei Anträge, die der Vertreter der Bundesanwaltschaft jedoch als unzulässig bezeichnete. Termine sind bis zum 27. März anberaumt.