Die Duale Hochschule trotzt der Krise. Die Studenten sind von Firmen handverlesen, die Absolventen gefragt.

Stuttgart - Das Modell der dualen Hochschulausbildung ist weniger konjunkturanfällig, als manche Skeptiker vermutet haben. Dies erklärt Joachim Weber, der Rektor der Dualen Hochschule Stuttgart, auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung. "Wir haben keine Delle, sondern wir hatten den zweitgrößten Anfängerjahrgang", sagt er - und das trotz der um zehn Prozent rückläufigen Wirtschaftskraft in der Region. Diese Entwicklung ist insofern überraschend, weil die Duale Hochschule und frühere Berufsakademie erst Studenten aufnimmt, wenn sie einen Vertrag mit einer der insgesamt 2500 Partnerfirmen in der Region Stuttgart vorweisen können.

Und es gibt einen weiteren spannenden Aspekt. Die Landesregierung setzt ungeachtet der Wirtschaftskrise darauf, dass die Duale Hochschule den Löwenanteil beim Ausbauprogramm 2012, dem Jahr der doppelten Abiturjahrgänge, übernimmt. Dazu sagt Weber: "Wir liegen in der Summe voll im Plan." Im Herbst hätten allein in Stuttgart 2400 Anfänger ihre Bachelorausbildung begonnen - das seien nur hundert weniger als im Jahr zuvor. Wegen des Rekordandrangs im Jahr 2008 habe man schon damals Kurse im Aufbau vorgezogen, um die Nachfrage befriedigen zu können. Somit gehe die Rechnung auf.

"Im Herbst erwarten wir weiterhin einen plangemäßen Ausbau", sagt Weber. Insolvenzen von Partnerfirmen schlügen statistisch nicht durch, die betroffenen Studenten fänden meistens rasch Ersatz. Die Gesamtzahl seiner Studenten lag im Jahr 2006 bei 5200, beträgt aktuell 6700, und für das Jahr 2012 geht der Rektor von 8000 bis 9000 Studierenden aus - "je nachdem, wie es sich entwickelt".

Hunderte bewerben sich auf einen Platz


An Bewerbern mangelt es jedenfalls nicht. "Viele Firmen haben mehrere hundert Bewerber auf einen Platz", so Weber. Das ist nicht verwunderlich, denn wer einmal das Auswahlverfahren der Firmen erfolgreich durchlaufen und seinen Ausbildungsvertrag in der Tasche hat, besitzt große Chancen, anschließend von dem Unternehmen übernommen zu werden.

Das bestätigt auch Bernd Brennenstuhl, Ausbildungsleiter bei Hewlett Packard Deutschland, einem der größten Partnerunternehmen der Dualen Hochschule. 95 Prozent der Absolventen könnten anschließend bei HP weiterarbeiten. Der Grund liege auf der Hand: "Die Studierenden kosten nicht nur, sie bringen ja auch schon während der Ausbildung einen Mehrwert", so Brennenstuhl.

"Kein anderes Hochschulsystem erzeugt Bachelorabsolventen, die Sie am ersten Tag in der Arbeitswelt einsetzen können", sagt der Ausbildungsleiter. Und: "Solange ein Unternehmen nicht am absoluten Krisentuch nagt, wäre es fatal gewesen, im Jahr 2009 die Anfängerzahlen zu reduzieren." Deshalb erhöhe HP kontinuierlich seine Ausbildungszahlen - allerdings verschiebe sich der Schwerpunkt von den Azubis in Richtung Studenten. Bis die in drei Jahren ihren Bachelor gemacht hätten, sei die Krise "hoffentlich vorbei", hofft Brennenstuhl. "Und wir brauchen ja die Leute", sagt er. Aufgrund der demografischen Entwicklung werde der Konkurrenzkampf um Fachkräfte künftig härter werden.

Mit 294 dualen Studenten hat HP deutschlandweit einen Vertrag, davon 153 in der Konzernzentrale in Böblingen. Im nächsten Durchgang seien 336 geplant - eine kontinuierliche Steigerung seit 2002 mit 97 Studierenden. Nur 40 Prozent davon kämen aus Baden-Württemberg. Besonders stark ist bei HP die Wirtschaftsinformatik belegt (178 Studenten), gefolgt von angewandter Informatik (100), International Business Information Management (13) und International Business IT (3). Den größten Bewerberansturm verzeichne Information Business Information Management und International Business IT mit je 30 Bewerbern pro Platz.

Den Studienbewerbern fehlen oft grundlegende Fähigkeiten


Besonders stolz ist Brennenstuhl auf den "gigantisch hohen Frauenanteil" von 40 Prozent. Das habe man vor allem durch Partnerschaften mit Mädchenschulen erreicht. "Oft haben die Mädchen falsche Vorstellungen vom Berufsbild eines Informatikers." Dabei sei dieser Beruf bei HP sehr dienstleistungs- und kundenorientiert ausgerichtet. Zur bedarfsorientierten Ausbildung gehöre auch ein Auslandssemester, das 80 Prozent der Studenten durchlaufen sollen - "im Krisenjahr waren es nur 70 Prozent", räumt Brennenstuhl ein.

Dass die Abbrecherquote in dem Böblinger Unternehmen "praktisch null" betrage, führt der Ausbildungsleiter auf das Auswahlverfahren zurück. Als Erstes werde im Gespräch festgestellt, ob der Bewerber zum Unternehmen passe und erst als Zweites, welcher Beruf am geeignetsten sei. "Wir picken uns die Sahnehäubchen raus", räumt Brennenstuhl ein. Doch er stelle fest: "Die Anzahl derer, die für uns Relevanz haben, sinkt seit zehn Jahren."

Das bestätigt auch Weber. "Unser Schulsystem tut sich derzeit schwer, hinreichend geeignete Leute heranzubilden", so der Rektor. Häufig fehlten den Studienbewerbern grundlegende Fähigkeiten in Mathe, Logik, Naturwissenschaften und Sprache. "Wir sind zunehmend gezwungen, Vorbereitungskurse in Mathe anzubieten" - trotz der handverlesenen Studenten.