Brisantes Duell in der Porsche-Arena: Am Montag (17.15 Uhr) trifft der TVB Stuttgart in der Handball-Bundesliga auf Leipzig. Es ist gleichzeitig das Spiel der beiden Bundestrainer-Anwärter Baur und Prokop.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Normalerweise sind die Castingshows aller Art den diversen Privatsendern im deutschen Fernsehen vorbehalten. Mit unterschiedlichen Quoten. Am zweiten Weihnachtsfeiertag dürften wohl exakt 6211 Zuschauer in der Stuttgarter Porsche-Arena dabei sein, wenn im deutschen Handball eine Präsentation der besonderen Art läuft: die der beiden Bundestrainer-Kandidaten.

 

Nachdem seit einigen Wochen klar ist, dass der Erfolgsgarant Dagur Sigurdsson die „Bad Boys“ nach der Weltmeisterschaft im Januar in Frankreich verlassen wird, ist ein Duell um die Nachfolge entbrannt, das da lautet: Baur oder Prokop?

Und just diese zwei Protagonisten treffen zum Abschluss des Jahres am Montag mit ihren Mannschaften im direkten Bundesligaduell aufeinander, wenn der TVB Stuttgart gegen den SC DHfK Leipzig spielt (17.15 Uhr). Die Rollen auf dem Feld sind dabei klar verteilt – und die Gäste hoher Favorit gegen die Schwaben, die von den letzten elf Spielen nur eines gewonnen haben. Die sportliche Ausbeute ist bei der Kandidatenkür zwar zweitrangig, dennoch werden dem Senkrechtstarter Prokop Vorteile eingeräumt. Besonders vom dem einflussreichen DHB-Vizepräsidenten Bob Hanning, der einst sagte: ,,Was einen Nachfolger betrifft: Erst wenn ich Namen nenne, wird es interessant. Punkt.“ Er gilt als Befürworter Prokops, der vergangene Saison als Bundesliga-Neuling auf Anhieb zum Trainer des Jahres gewählt worden war. Lange Zeit hatte sich der 37-Jährige bedeckt gehalten, ehe er nach einem Bundesligaspiel in Flensburg die Katze aus dem Sack ließ und sagte: „Ich stehe bereit.“

Baurs Sorgen mit Stuttgart

Das tut auch Markus Baur, wenngleich der sich bisher nicht allzu weit aus dem Fenster lehnt: „Es ist ein interessanter Job.“ Erst recht wenn man den Abstiegsplatz seines TVB als Maßstab nimmt. Baur ist kein Mann der großen Töne, eher der Taten. Er gilt als perfekter Dirigent, eine Rolle die ihm als ehemaliger Spielmacher (des Weltmeisterteams 2007) im Blut liegt. Als Trainer tat er sich da schon schwerer, diese Spielintelligenz auf seine Mannschaften – TBV Lemgo, TuS N-Lübbecke, Kadetten Schaffhausen – zu übertragen, mit denen ihm bisher kein großer Wurf gelungen ist.

Auch in Stuttgart sind sie nach anfänglichen Erfolgen und taktischen Verbesserungen inzwischen auf dem Boden der Tatsachen gelandet, und der heißt Abstiegskampf: Sogar mehr denn je. Was zum einen mit dem Verletzungspech zusammenhängt, seit Wochen fallen vier Stammspieler aus, auch wenn der starke Torwart Johannes Bitter bei der 19:23-Niederlage am Mittwochabend in Balingen sein Comeback feierte.

Leipzig dagegen greift auf eine bewährte Formation zurückgreifen, bei der der Star die Mannschaft ist – neben dem Trainer selbstredend. Dem merkt man förmlich an, wie er während der 60 Minuten am Spielfeldrand mitgeht und mitdenkt. Ruhig wird er erst hinterher. Zum brisanten Thema Bundestrainer sagte er zuletzt in Göppingen nur: „Kein Kommentar.“ Was vielleicht auch daran lag, dass die öffentliche Suche zum Beispiel vom ehemaligen Welthandballer Daniel Stephan („Kein guter Stil“) durchaus kritisch kommentiert wurde.

Prokops Aufstieg in Leipzig

Der studierte Sportlehrer Prokop begann seine Trainerkarriere 2003 bei Eintracht Hildesheim. Er gilt als penibler Analytiker, der sagt: „Ich hoffe, dass ich ein moderner Trainer bin. Ich lege viel Wert auf einen taktischen Schwerpunkt. Ich möchte auch, dass ein schneller Handball gespielt wird, der die Fans mitnimmt.“ Und Hanning sagt: „Er hat in Leipzig bewiesen, dass er junge Leute entwickeln kann.“ Dafür fehlt ihm Erfahrung im Männerbereich, „deshalb ginge der DHB ein ziemliches Risiko ein“, so Stephan.

Anders Baur: der 45-Jährige besitzt den nötigen Stallgeruch als ehemaliger Coach der Juniorenauswahl, mit denen er schon Europameister wurde. Auch das kann bei den Herren im DHB Punkte bringen. Wer weiß? Beide Kandidaten stehen bei ihren Vereinen übrigens noch unter Vertrag, Baur bis 2018, Prokop sogar noch drei Jahre länger – ein Knackpunkt. Leipzigs Aufsichtsratsmitglied Stefan Kretzschmar hat schon mal klargestellt: „Wir müssten unsere Philosophie überdenken und überarbeiten. Das würde einen gehörigen finanziellen Mehraufwand mit sich bringen.“ Sprich im Gegenzug eine Ablöse.

Eines ist klar: einen Dagur Sigurdsson wird keiner von beiden eins zu eins ersetzen können, der Isländer hatte ein ganz eigenes Credo als Mentor und Motivator. Die Entscheidung wird aber weder in Stuttgart fallen noch in diesem Jahr, das zumindest hat Hanning klar gestellt, um während der geballten Ladung Bundesliga im Dezember etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen. Dennoch steht es aktuell 1:0 für Prokop: Der gewann die Online-Abstimmung zur Trainerwahl für das All Star Spiel am 3. Februar mit 250 000 Stimmen – so vielen wie noch nie. Und er hat in Leipzig auch noch den Heimvorteil auf seiner Seite.

Als neuer Bundestrainer?