Zum 60. Geburtstag räumt der Schultes von Dürnau unerwartet früh den geliebten Chefsessel.

Dürnau - Ich bin in den besten Jahren meiner Arbeitskraft.“ Friedrich Buchmaier weiß es noch wie heute, dass er in seiner Bewerbungsrede diesen Satz gesagt hat. Das ist 30 Jahre her, eine lange Zeit und doch scheint es ihm, als sei es erst gestern gewesen. An diesem Freitag wird Buchmaier verabschiedet. Auf eigenen Wunsch räumt der 60-Jährige den Chefsessel im Dürnauer Rathaus. Zwei Jahre vor Ablauf seiner vierten Amtszeit. Er tut das nicht, weil er seiner Arbeit überdrüssig wäre.

 

Der Schultes geht aus privaten Gründen

Der Schreibtisch ist vollgepackt mit Akten, und auch auf einem Sideboard an der Wand türmt sich die Arbeit. Bis zum 31. August, dem tatsächlichen Ende seiner Amtszeit, will Buchmaier aufräumen. Schwer, sich bei diesem Arbeitseinsatz vorzustellen, dass er dann nicht mehr im Rathaus residiert. Denn wenn Buchmaier von seiner Tätigkeit als Bürgermeister spricht, dann scheint es, als sei er noch mittendrin. Wieso dann sein vorzeitiger Abschied? Buchmaier lacht. Amtsmüde sei er tatsächlich nicht, sagt er. Er gehe aus rein privaten Gründen. Nun seien Dinge dran, die bisher zu kurz gekommen seien. Dieser Schritt sei ihm nicht leicht gefallen, aber er fühle sich noch immer richtig an.

Die Gewerbesteuer schrumpfte auf Null

Als Buchmaier vor 30 Jahren das Dürnauer Rathaus übernahm, taumelte die Gemeinde am Abgrund entlang. Die Firma Gralglas, der wichtigste Arbeitgeber im Ort, hatte Anfang der 80er Jahre Konkurs gemacht, und 1987 meldete auch noch die nachfolgende Auffanggesellschaft Insolvenz an. Von jetzt auf gleich fielen damit 400 Arbeitsplätze weg, die Gewerbesteuer schrumpfte auf Null. „Es war unheimlich schwierig, das weg zu stecken“, erinnert sich Buchmaier.

Der junge Bürgermeister krempelte also die Ärmel hoch. Obwohl im Voralbgebiet das Prinzip galt, Bauland nur für Ortsansässige bereit zu stellen, scherte Buchmaier aus, um die Gemeinde vor dem Ruin zu retten. Er machte sich dafür stark, Dürnau zu einer Wohngemeinde umzustrukturieren. Nur so sei die Infrastruktur zu halten gewesen. „Wir haben zusammen mit Gammelshausen eine Schule und einen Kindergarten, außerdem eine Sporthalle und ein Lehrschwimmbad“, zählt er auf.

Bauland für alle rettete die Gemeinde vor dem Ruin

Das erste Baugebiet erstreckte sich um die katholische Kirche. Es sollte nicht das einzige bleiben. „Wir sind aber nie völlig auf die grüne Wiese gegangen, eigentlich haben wir lediglich arrondiert“, sagt Buchmaier. Etwas mehr als 1500 Einwohner zählte die Gemeinde, als er anfing. Nun sind es 2100. In den Neubaugebieten wohnen viele junge Familien. „Damit sind wir gut aufgestellt, wir sind eine junge Gemeinde“, sagt der 60-Jährige und schiebt hinterher: „Es war auch Glück, dass wir diese Kurve gekriegt haben.“ Nach den finanziell schwierigen Anfangsjahren freut es ihn umso mehr, dass Dürnau momentan bei der Steuerkraft an sechster Stelle im Kreis Göppingen liegt.

Das Schlossareal erhielt einen Architekturpreis

Auch andere wichtige Projekte verbinden sich mit dem Namen Buchmaier: Er kämpfte dafür, dass der Ort in das Landessanierungsprogramm aufgenommen wurde – damals eine Besonderheit für einen kleinen Ort wie Dürnau. „Das hat uns in den Neunziger Jahren einen enormen Schub gegeben.“ Mit Hilfe eines Investors wurde das Schlossareal, das sich heute als reizvolle Mischung aus Alt und Neu präsentiert, aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Für dieses höchst umstrittene Projekt bekam die Gemeinde sogar einen Architekturpreis. Auch das Rathaus wurde saniert. Das heruntergekommene Gebäude entpuppte sich als Kleinod. „Die Pracht unter dem Verputz hat man nicht geahnt. Unser Rathaus stammt aus dem Jahr 1562 und ist damit eines der ältesten im Kreis“, erzählt Buchmaier. Um genug Platz für die Verwaltung zu schaffen, wurde das historische Fachwerkhaus um einen modernen Anbau erweitert.

Mehr Zeit für die Familie und zwei Isländer

Buchmaier ist froh, dass Dürnau wieder eine lebendige Ortsmitte hat. Das sei nur gelungen, weil bei allen Meinungsverschiedenheiten letztlich alle an einem Strang gezogen hätten, sagt er bescheiden. Wie er seine Tage in Zukunft gestaltet, lässt er vorerst offen. Der Vater von drei erwachsenen Kindern freut sich aber, dass er mehr Zeit für seine beiden Enkelkinder haben wird. Außerdem gibt es zwei Islandpferde zu versorgen und einen Hund. „In ein Loch falle ich bestimmt nicht“, verspricht er.