Die Reha-Kliniken im Kreis stöhnen über Defizite und Dumping-Rehaangebote von Kliniken in Ost-Deutschland. Die hiesigen Anbieter fordern gerechtere Vergütungen.

Bad Boll/Göppingen - Die Rehakliniken im Kreis Göppingen stöhnen unter der Last eines permanenten finanziellen Defizits. Gemeinsam mit der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) hat das Klinikum Christophsbad, das die Klinik für Geriatrische Rehabilitation und Physikalische Medizin sowie die Rehaklinik Bad Boll unter einer Trägerschaft vereint, mit der Kampagne „Umsonst ist keine Reha“ auf ihre wirtschaftliche Schieflage hingewiesen. Als unzureichend werden die Vergütungen der Krankenkassen für die Rehabilitation kritisiert. In Boll zielt man mit einer Klinikerweiterung um 180 Betten und zusätzlichen ambulanten Angeboten auf eine höhere Wirtschaftlichkeit.

 

Grundstücksverkäufe haben das Überleben gesichert

Die traditionsreiche und beliebte Boller Klinik habe harte Zeiten hinter sich seit dem Sparkurs durch das Bundes-Gesundheitsstrukturgesetz von 1992. Das Überleben sei bisher durch Grundstücksverkäufe gesichert worden, sagte Bernhard Wehde, der am Göppinger Hauptsitz ansässige Geschäftsführer des Klinikums Christophsbad, der nichts zur Höhe des Defizits sagen will, aber an die beiden schnellen Betreiberwechsel der Rehaklinik erinnert. Das 1597 gegründete Bad Boller Kurhaus wurde seit 1920 von der Herrnhuter Brüdergemeine betrieben, 1999 übernahm die Diakonie Stetten das Anwesen, bevor 2013 das Christophsbad Eigner wurde.

Das Göppinger Klinikum wächst beständig

Jetzt soll die Bettenzahl von 155 mehr als verdoppelt werden. „Wachsen oder weichen“ nennt Bernhard Wehde das altbekannte marktwirtschaftliche Prinzip, nachdem nur den Großen die Zukunft gehören soll. Wehde hat in Göppingen vorgemacht, was er unter Zukunftsfähigkeit versteht und in den dortigen Kliniken die Bettenzahl in den vergangenen 14 Jahren ebenfalls verdoppelt.

Ein Beispiel dafür ist die geriatrische Rehabilitation, wo nach der Schließung der Esslinger Aepah Klinik im Nachbarkreis das Göppinger Angebot von 55 auf 95 Betten gesteigert und dank der Synergieeffekte im Gesamtklinikum vor allem die durchschnittlichen Servicekosten gesenkt werden konnten.

Die geriatrische Versorgung geht ins Geld

Rein theoretisch könnte die Klinik die Zahl ihrer geriatrischen Betten sogar nach Belieben festlegen, da diese, anders als bei den Krankenhausbetten, nicht über einen landesweiten Bedarfsplan gesteuert wird. Allerdings ergäben sich hier betriebswirtschaftliche Grenzen erläutert Katja Gohl, die Geschäftsführerin im Geschäftsbereich Rehabilitation und Organisation der BWKG. Denn die geriatrische Versorgung zähle zu den teuersten medizinischen Bereichen überhaupt. Als kostendeckend bezeichnete Gohl einen Vergütungssatz von rund 210 Euro. Ausgehend von einem lange Zeit „sehr schlechten Niveau“ erlösten die Rehakliniken hier inzwischen im Schnitt bei 180 Euro pro Tag.

Klinik beklagt eine Vergütungslücke

„Der Vergütungssatz liegt oft unter dem Preis“, klagt Birgit Kälbling, die Geschäftsführerin der sehr gut ausgelasteten Rehaklinik Bad Boll, in der die Orthopädie das wichtigste medizinische Standbein ist. Zwar sei die Zusammenarbeit mit manchen Kostenträgern hervorragend, doch es gäbe auch so „unterirdisch schlechte Vergütungen“, dass sie es bei zwei Kassen inzwischen ablehne, überhaupt noch die jährlichen Verhandlungen über Pflegesätze zu führen.

Die Vergütungslücke zeichnet den Verantwortlichen der Klinik auch angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft die Sorgenfalten auf die Stirn. „Heute werden eben auch Menschen im Alter von 80 Jahren an der Hüfte operiert und erhalten damit deutlich mehr Lebensqualität“, beschreibt Wehde neben dem Wandel im medizinischen Fortschritt auch den ethische Wandel gegenüber einer beständig wachsenden Kundschaft im Seniorenalter.

Auch die Nachbarn sind in Sorge

Die Luise von Marillac und die Vinzenz-Klinik arbeiten defizitär

Bad Ditzenbach/Bad Überkingen - Obwohl die Vinzenz-Klinik Bad Ditzenbach „stark belegt ist“, wie der Betriebsleiter Michael Skorzak berichtet, schreibt die 150 Betten-Klinik, die auf die Disziplinen Innere Medizin, Kardiologie und Orthopädie spezialisiert ist, keine schwarzen Zahlen. Skorzak, der sich auch im Fachausschuss Reha der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft engagiert, fordert eine grundsätzliche Anschlussheilbehandlung für Erkrankte.

Reha-Dumpingangebote in Ost-Deutschland

Neben der defizitären Arbeit beklagt der Betriebsleiter zudem die schlechte Lobbyarbeit der Rehabilitationskliniken, die untereinander in einem sehr starken Wettbewerb stünden. So gebe es beispielsweise Dumpingangebote von Kliniken im Osten Deutschlands, die einen Reha-Aufenthalt bereits für 1600 Euro anböten und das bei Kosten, die laut Michael Skorzak pro Tag mit einer Spanne von 95 bis 125 Euro zu beziffern seien.

In Bad Ditzenbach habe man sich zum Ziel gesetzt, bei gleichbleibend hohem medizinischem und pflegerischem Niveau Kosten zu senken, in dem die Einrichtungen noch besser ausgelastet werden. Dazu habe man seit 15 Jahren die ambulanten Angebote immer mehr ausgebaut, die von Menschen aus den Kreisen Göppingen und Esslingen in einem Radius von rund 30 Kilometer angenommen würden. Ebenfalls kontinuierlich erweitert habe die Vinzenzklinik für diese Kunden den Rehasport, die Bereiche Physio- und Ergotherapie und die betriebliche Gesundheitsvorsorge.

Die Heilquellen sind in der Vinzenz-Therme gefasst

Bekannt ist Bad Ditzenbach vor allem auch für seine Quellen. Zum einen werden diese in dem kliniknahen Thermalbad Vinzenz-Therme für äußerliche Angewendungen genutzt. Zum anderen wird ihr Wasser als Tafelwasser angeboten.

Ebenfalls unter dem Dach der Vinzenz-von-Paul Kliniken ist im Jahr 2010 die Luise-von-Marillac-Klinik in Bad Überkingen eröffnet worden. Diese Fachklinik für onkologische Rehabilitation hat sich auf junge Brustkrebspatientinnen spezialisiert und bietet 42 – inzwischen bundesweit nachgefragte – Plätze.

Die onkologische Reha ist besonders teuer

Markus Mord, der Geschäftsführer der Vinzenz-von-Paul-Kliniken, attestiert allerdings auch dieser Einrichtung eine defizitäre Lage. Angesichts der hohen Anforderungen im onkologischen Bereich verlangt er daher parallel zur Lohnentwicklung steigende Vergütungen durch die Rentenversicherungsträger.

Reha-Finanzierung soll gerechter werden

Landeskrankenhausgesellschaft:

Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) gehört zu den insgesamt 16 Landeskrankenhausgesellschaften und ist ein Zusammenschluss von Trägern zugelassener Kliniken. Darunter sind auch rund 90 Reha- sowie Pflege- und Behinderteneinrichtungen. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Die BWKG schließt für alle Krankenhäuser eines Bundeslandes mit den jeweiligen Landesverbänden der Krankenkassen eigenverantwortlich Verträge über die Behandlung und zur Wirtschaftlichkeitsprüfung ab.

Kampagne:

„Umsonst ist keine Reha“ titelt die Kampagne, mit der die BWKG und ihre Mitglieder eine gerechtere Finanzierung von Rehamaßnahmen fordert. Das soll gesetzlich geregelt werden. Gefordert wird außerdem die Aufhebung der Budgetierung von Rehaausgaben bei der Rentenversicherung und ein finanzieller Ausgleich zwischen Pflege- und Krankenversicherung.

Defizit:

Laut BWKG haben 40,8 Prozent der Rehaeinrichtungen im Land voriges Jahr mit roten Zahlen abgeschlossen. Bei den Einrichtungen der geriatrischen Rehabilitation für Senioren waren es sogar 57 Prozent.