Während die Landwirte im Ackerbau noch mit einem blauen Auge davon gekommen sind, beklagen die Obstbauern im Kreis Göppingen Ernteausfälle von bis zu 90 Prozent. Für den Endkunden wird es teurer, wovon die Erzeuger jedoch nicht profitieren.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Kreis Göppingen - Marianne Müller vom Schulzenbauers Hof in Schlat erweist sich als gute Gastgeberin für ein Ernte-Pressegespräch des Göppinger Kreisbauernverbands. Sie serviert nicht nur Saft, Most und Schnittchen, sondern auch einen Korb mit Äpfeln, Birnen und Zwetschgen. Legt man die aktuelle Situation der Obstbauern zugrunde, hätte die Landwirtin zusätzlich neun leere Körbe auf den Tisch stellen müssen. Denn je nach Obstart und Obstsorte sind die Erträge heuer um bis zu 90 Prozent zurückgegangen. Bei den Äpfeln werden allein in der Obstbaugemeinde Schlat Verluste von 70 bis 80 Prozent erwartet. Der Aufwand für die Pflege und den Schnitt der Bäume indes bleibe, wie die Betroffenen erklärten, annähernd gleich.

 

Schuld an der Misere sind die Wetterkapriolen im Frühling. Der warme März hat dazu geführt, dass sich die Blütezeit nicht wie üblich über viele Wochen verteilte, sondern dass Erdbeeren und Kirschen, Zwetschgen und Birnen, Äpfel und Nüsse fast gleichzeitig ausschlugen. Doch just als die Pracht am größten war, kam in der Nacht zum 20. April der Frost und erwischte die Pflanzen im wahren Sinne des Wortes eiskalt.

„Je nach Standort war’s das auf einen Schlag“, berichtete Karl Matthias Müller, der Juniorchef von Schulzenbauer’s Hof. Sein Schlater Kollege Martin Rieker hatte sogar richtig Sorge um seine Nussbäume: „Die sahen aus, als wären sie abgestorben.“ Zwar hat sich diese Befürchtung letztlich nicht bestätigt. Die Erlöse der Obstbauern im Stauferkreis dürften aber dennoch um rund 80 Prozent niedriger ausfallen als in durchschnittlichen Jahren.

Qualität des Weizen lässt zu wünschen übrig

Ganz so heftig wie bei den Früchten hat es die Frucht auf den Feldern zwar nicht erwischt, allerdings müssen auch die Ackerbauern mit Einbußen klarkommen. Hermann Färber, der Vorsitzende des Göppinger Kreisbauernverbands, und seine Kollegen sprachen unisono davon, angesichts der Wetterkapriolen „mit einem blauen Auge davongekommen zu sein“. Nur beim Hafer sei es zu einem Totalausfall gekommen. Die übrigen Getreidesorten lägen hingegen halbwegs im Rahmen. „Was die Qualität angeht, hat jedoch vor allem der Weizen gelitten“, stellten die versammelten Landwirte klar.

Neben den Wetterkapriolen hat ihnen ein anderes Problem fast ebenso sehr zu schaffen gemacht. Vor allem im Schurwald werden immer mehr Felder und Wiesen durch Wildschweine so verwüstet, dass sie nicht mehr bewirtschaftet werden können. Der Schaden geht, wie der Uhinger Landwirt Wolfgang Daiber zu berichten wusste, „bereits in die Tausende“. Färber kündigte an, dass es zu dem Thema ein Gespräch mit den Jägern geben werde, dabei müsse dringend eine Lösung gefunden werden.

Und noch eine Schwierigkeit gilt es in Kooperation zu beseitigen: Der Ertrag auf den Grünflächen fällt zwar wohl ebenfalls etwas geringer aus als sonst. Mehr Sorgen macht den Bauern allerdings, dass die Straßenränder zu spät gemäht werden, sodass sich Giftpflanzen auf die Wiesen ausbreiten können. Ralf Over vom Landwirtschaftsamt des Landkreises sprach außerdem das Problem an, dass es dort überdurchschnittlich viele Herbstzeitlosen gebe. „Es laufen aber bereits Gespräche, was da getan werden kann“, sagte er.

Beim Obst haben die Preise bereits angezogen

Wie sich die aktuelle Situation, die sich nach den Worten von Färbers Stellvertreter Heinrich Rothfuß in weiten Teilen Europas ähnlich darstelle, auf die Preise auswirken wird, lässt sich nach den Worten von Franz Diesl, der für den Handels- und Dienstleistungskonzern Baywa tätig ist, noch nicht sagen. „Große Sprünge sind für die Erzeuger aber wohl eher nicht zu erwarten, da beispielsweise die Weizenernte in manchen Ländern recht gut läuft.“

Die Verbraucher spüren die schlechteren Erträge aber schon in ihrem Geldbeutel. Beim Obst etwa sind die Preise bereits um ein Drittel oder noch mehr nach oben gegangen. Die Klagen darüber, dass dem so ist, kann Ruth Erhardt-Zonka zwar teilweise nachvollziehen. Die Müllerin von der Oberen Mühle in Bad Ditzenbach-Gosbach appelliert in diesem Zusammenhang allerdings an die Kundschaft, diese Preissteigerungen im Verhältnis zu anderen Ausgaben zu sehen: „Wenn Obst, Milch oder Brot teurer werden, ist der Aufschrei jedes Mal groß. Dabei handelt es sich bei den Lebensmitteln, wenn man auf den gesamten Warenkorb blickt, nur um Minimalbeträge.“

Färber: Schwierigkeiten bei „bio“ und regional“

Was die Obstbauern in ihren Kulturen spüren, merken auch die Stücklesbesitzer auf ihren Streuobstwiesen. Die rund 250 000 Bäume im Kreis Göppingen – die Anzahl ist etwa so hoch wie die der Einwohner – tragen in diesem Jahr deutlich weniger Früchte als sonst. Obwohl nur etwa 20 Prozent der üblichen Erntemengen eingefahren werden dürften, sollten die 14 kleinen und größeren Keltereien in der Gegend nicht auf dem Trockenen sitzen bleiben müssen. Allerdings reichen die Restbestände aus dem starken Vorjahr nicht aus, um die entstehende Lücke zu schließen.

Schwierigkeiten, davon geht zumindest der Kreisbauernverbandsvorsitzende Hermann Färber aus, dürfte es mit „bio“ und mit „regional“ geben. Auch die Preise werden wohl etwas anziehen, meint er. Entschädigungen irgendwelcher Art haben Streuobstbesitzer dafür nicht zu erwarten. Anders die Erwerbsobstbauern: Es wird ein Landeshilfsprogramm geben. wobei der Umfang noch offen ist.