Der Mittelständler Kiess will seinen gesamten Fuhrpark aus der Steckdose betanken. Den Anfang machen vorerst zwei Transporter, bis Jahresende kommen drei weitere Fahrzeuge hinzu.

Fasanenhof - Auf einmal gleitet er aus seiner Parkbucht. Kein Anlassergeräusch, kein Motorgeräusch, eigentlich gar kein Geräusch ist zu hören. Außer dem Piepston beim Rückwärtsfahren. Und das ist bei diesem Leisetreter wohl auch ratsam. Das Lauteste, was überhaupt irgendwo aus den Eingeweiden des Transporters zu vernehmen ist, ist das Einrasten der Handbremse am Ende der Rangieraktion.

 

„Wir müssen uns überraschen lassen, ob das mit dem Elektroantrieb auch bei minus zehn Grad funktioniert“, sagt Wolfgang Roßkopf, einer der Geschäftsführer der Firma Kiess Innenausbau noch schnell. Dann ist es Zeit für das Foto auf dem Firmengelände im Gewerbegebiet Fasanenhof. Einer muss den Stecker in die Hand nehmen, schließlich tankt der Mercedes Strom statt Benzin. Der richtige Mann ist schnell gefunden. Es ist Michael Föll, seines Zeichens Finanzbürgermeister der Stadt Stuttgart.

Unternehmen sollen die Initialzündung geben

Für die Aktion am vergangenen Freitag, 28. November, nimmt er sich gerne Zeit und kommt aus dem Rathaus in der Innenstadt hinauf auf die Filderebene. Was Kiess hier macht, „das ist vorbildlich“, sagt Föll. Das Unternehmen will einen Großteil seines Fuhrparks nach und nach auf Strom umstellen. Immerhin stehen 20 Fahrzeuge im Hof.

Zwei stromernde Transporter parken dort bereits, bis Ende des Jahres sollen drei weitere E-Golf hinzukommen. Ende 2015 folgt der nächste Schwung. Nur ob das mit dem großen Möbellaster klappt, da ist sich der Seniorchef Alfred Kiess nicht so sicher. „Ob es den überhaupt mit Elektroantrieb gibt, weiß ich gar nicht“, sagt er.

„Es ist wichtig, nicht nur ans Geschäft zu denken“, sagt Tilo Kiess, der ebenfalls Geschäftsführer des Unternehmens auf dem Fasanenhof ist. Zwar müsse sich so eine Investition auch rechnen, „zumindest ein bisschen“. Aber vor allem gehe es darum, dass irgendjemand den ersten Schritt machen muss hin zu mehr E-Mobilität. Und nur Unternehmen, davon ist er überzeugt, „können diese Initialzündung geben“.

Kiess setzt sich für Nachhaltigkeit ein

Das erklärt freilich nicht, warum sich die Firma überhaupt für die Technik einsetzt, die zwar umweltfreundlich ist, aber eben auch den Gewinn schmälert. „Nur eine Firma, der es gut geht, kann sich engagieren“, sagt Tilo Kiess. „Und nur einer Firma, die sich engagiert, kann es gut gehen.“ Das sagt er nicht nur so dahin. 2013 wurden er und Roßkopf in Berlin mit dem deutschen Engagementpreis ausgezeichnet.

„Nachhaltigkeit ist bei uns immer ein Thema“, sagt Roßkopf. „Wir schauen, was es an Innovationen auf dem Markt gibt und machen da gerne mit.“ Zusammen mit BASF forschte der Mittelständler an einem Material, das die Temperatur speichern kann. Eine vier Zentimeter dicke Platte, die sich wie ein Holzbrett verarbeiten lässt, speichert dabei so viel Wärme wie eine 15 Zentimeter dicke Betonwand. Mit dem Unterschied, dass man die Bretter zu Schränken und Tischen verarbeiten kann. „Wir stehen da in den Startlöchern, nur die anderen sind noch nicht so weit“, sagt Roßkopf.

Ob den beiden neuen Transportern nicht auf halber Strecke der Saft ausgeht, wenn sie voll beladen sind? Nein, meint Roßkopf. Die Fahrzeuge haben eine ausrechend hohe Reichweite, und um auf Nummer sicher zu gehen, sollen sie nur für Kundenfahrten im Umkreis von 80 Kilometern benutzt werden – und auch nur dann, wenn der Kunde selbst eine Ladestation hat.

Das ist recht oft der Fall, schließlich beliefert Kiess unter anderem Daimler. Und für eine Fahrt in den Talkessel und zurück reicht es allemal. Zudem, meint der Seniorchef Alfred Kiess, „können wir in der Innenstadt damit auch kostenlos parken“.