Den Krimbewohnern geht es beim Reisen wie den Delfinen im Delfinarium in Jevpatorija.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Jevpatorija - Der kleine Nikita wird den Tag im Delfinarium mit Sicherheit nie vergessen. Er darf mit einem Seehund Ball spielen. Wann passiert das schon in einem Kinderleben? In Jevpatorija ist es Alltag für die Touristen, die es sich leisten können. 1000 Rubel zahlen Erwachsene, 600 Rubel die Kinder – macht 15 beziehungsweise zehn Euro. Seit 17 Jahren gebe es diese Mischung aus Zirkusspektakel und Zoo schon, erklärt Dimitri Schatazki. Entscheidend für die Besucherzahlen sei nicht die politische, sondern die meteorologische Wetterlage. Sprich: wenn das Wetter schön ist, kommen mehr Menschen in die nach oben offene runde Halle als bei kühlem Wetter.

 

Jevpatorijas Ex-Bürgermeister Andrej Danilenko schätzt die touristische Auslastung der Krim auf 50 Prozent. Wer nicht mehr komme, seien die Europäer, die Ukrainer und die Weißrussen. Vor allem die privaten Zimmervermieter leiden unter den Folgen des Rückgangs der Touristenzahlen. Er sagt, es gebe noch Nachholbedarf in der Ausbildung im Gastronomiebereich. Seine Frau betreibt in Jevpatorija das „Cafe Ludwigsburg“. Dort gibt es seit sechs Jahren das gleiche Personal. Nur so lässt sich die Servicequalität auf Dauer halten.

Die Europäer, Ukrainer und Weißrussen bleiben weg

Laut Schätzungen sind die Gästezahlen im Vergleich zum Vorjahr zum Stand 1. September um 18 Prozent gestiegen. Das klingt vielversprechend. Aber im Vorjahr waren sie auf Grund der aktuellen Ereignisse auch extrem eingebrochen. 3000 Kinder seien auf Kosten des Staates in den Sanatorien auf der Krim gewesen, um gesund zu werden. Sie kommen aus dem Land – so heißt jetzt Russland umgangssprachlich. Die Auslastung der Sanatorien sichert Arbeitsplätze.

Andrej Filonov, der Verwaltungschef sagt, um die Infrastruktur allein in Jevpatorija zu verbessern, habe die Regierung bis zum Jahr 2020 Geld in Höhe von 10,4 Milliarden Rubel (etwa 15 Millionen Euro) bewilligt – „nur für unsere kleine Stadt“. Jevpatorija hat 120 000 Einwohner. Dabei geht es nicht nur um den Ausbau der holprigen Straßen, sondern auch um den Ausbau des kulturellen Angebots. Das soll wiederum Touristen locken.

Delfine im Aquarium: ein Bild mit Symbolkraft

Im Delfinarium dröhnt unterdessen die Musik von der Konserve. Queens „We will rock you“ bringt das Publikum in Stimmung. Eine Stunde lang tänzeln die beiden Seehunde, die in dem Becken ihre Runde drehen, über die Balustrade, machen Männchen, klatschen mit ihren Flossen oder kicken Bälle mit der Schnauze ins Publikum. Ebenso tun das zwei weiße Belugawale, die eigentlich in der Arktis leben und hier mit zwei Delfinen, die im Schwarzen Meer beheimatet sind, in friedlicher Koexistenz leben. Auch sie vollführen die tollsten Kunststücke. Malen sogar mit einem Pinsel in ihrem Maul ein Bild, das bei einer Versteigerung im Publikum für 1500 Rubel – also etwa 17 Euro – weggeht. Und das alles nur für ein paar Fische als Belohnung. Was tut man nicht alles in einem Bassin, das man nicht verlassen kann, und wenn man nicht weiß, wohin mit seiner Energie. Zwei Auftritte hat die Gruppe pro Tag. Der Delfin Alisa wurde im Delfinarium geboren, Igmas mit einer Lizenz im Schwarzen Meer gefangen. „An Feiertagen vermissen sie die Menschen“, sagt Dimitri Schatatzki. Wenn sie ermüdet seien, dann dürften sie sich eine Zeitlang in einem größeren Becken im Schwarzen Meer erholen. Aber allzu groß ist die Welt der Delfine in ihrer künstlichen Heimat nicht.

Das Bild hat fast symbolische Aussagekraft. Auch für die Bewohner der Krim ist die Welt klein geworden. Viele Familien sind durch die Abspaltung der Krim von der Ukraine getrennt. Kinder, die in Kiew studieren, können nicht zurück. Reisen ins Ausland sind nur mit dem Flugzeug via Moskau möglich. Wenn überhaupt. Partnerschaftsbegegnungen werden unter diesen Bedingungen schier unmöglich. Denn die deutsche Botschaft in Moskau verweist als Folge der EU-Sanktionen für ein Visum an die deutsche Botschaft in Kiew. Dort bekommt aber nur ein Visum, wer einen ukrainischen Pass hat. Den haben jedoch viele Krimbewohner abgegeben. Manche wählen den Weg über die grüne Grenze zur Ukraine. Dort, heißt es, warten Busse, um die Krimbewohner weiterzubefördern. Etwa nach Griechenland. Die Behörden auf der Krim stellen mittlerweile Pässe aus, die den Ausgabeort Krasnojarsk tragen. Das liegt in Russland und erleichtert es Krimbewohnern, ein Visum zu bekommen.