Am Produktionsstandort Untertürkheim eskaliert der Konflikt zwischen Konzern und Betriebsrat um die Produktion von E-Autos. Die Mitarbeiter befürchten Lohn-Dumping.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Daimler-Werk Untertürkheim wächst die Sorge über die Folgen des Umstiegs auf die Elektromobilität. Zwischen Betriebsrat und Werksleitung gibt es erhebliche Differenzen über die künftige Rolle des Standortes im Konzernverbund. Die seit Mai laufenden Verhandlungen sind ins Stocken geraten. Für diesen Donnerstag hat der Betriebsrat daher eine zusätzliche Betriebsversammlung in der Stuttgarter Schleyerhalle angesetzt. Die Belegschaft werde vom Unternehmen über die geplanten weitreichenden Weichenstellungen „nicht ausreichend informiert“, heißt es zur Begründung.

 

Anders als für andere Standorte wie etwa Sindelfingen gebe es für Untertürkheim noch keine grundsätzliche Zusage, in die Elektrostrategie eingebunden zu werden, wird in einem Infoblatt des Betriebsrates kritisiert. Dabei sei das Motorenwerk von dem Umbruch besonders stark betroffen. Für die Weiterentwicklung habe die Werksleitung bisher „nur ein mageres Angebot vorlegt“, fordere aber zugleich „besonders hohe Zugeständnisse“ von den Beschäftigten. „Das, was derzeit auf dem Tisch liegt, stellt keine Basis für konstruktive und aussichtsreiche Verhandlungen dar“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Nieke. Er forderte die Werksleitung auf, beim Angebot kräftig nachzubessern und überzogene Forderungen zurückzunehmen.

Es droht eine Daimler-Tochter ohne Tarifvertrag

Laut Betriebsrat hat die Werksleitung 250 bis 300 zusätzliche Arbeitsplätze in Aussicht gestellt; etwa 100 davon sollten in einer Batteriefertigung im Werksteil Brühl entstehen. Die Beschäftigten sollten allerdings nicht zum Werk Untertürkheim gehören, sondern zu einer Daimler-Tochter ohne Tarifvertrag; dies sei ein „absolutes Unding“. Zudem wolle die Werksleitung bei allen Mitarbeitern jährlich drei sogenannte Qualifizierungstage vom Zeitkonto abziehen. Dies entspreche einem Volumen von 275 Vollzeitstellen, was zu einem „Nullsummenspiel“ führen würde. Jeder Beschäftigte würde damit auf etwa 650 Euro im Jahr verzichten.

Für die Zukunft von Untertürkheim sieht der Betriebsrat noch keine ausreichende Perspektive. So sei die ursprünglich in Aussicht gestellte Fertigung des elektrischen Antriebsystems für die Hinterachse – es ist zahlenmäßig weit wichtiger als das für vorne – inzwischen in weite Ferne gerückt. Auch für Forschung und Entwicklung fehlten klare Entscheidungen.

Ein Daimler-Sprecher äußerte sich nicht näher zu den einzelnen Punkten. Er bestätigte nur, dass man seit Mai mit dem Betriebsrat über die zweite Stufe eines Maßnahmenpakets verhandele. Dieses solle zur langfristigen Sicherung der Jobs beitragen. Damit solle die Rolle von Untertürkheim als Leitwerk bei den Antrieben im globalen Produktionsverbund auch für die Elektromobilität gesichert werden. Der Wandel gelinge nur, wenn man die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes stärke.