Handwerk hat goldenen Boden, heißt es immer. Doch viele einst weit verbreitete Berufe sind selten geworden.

Region: Corinna Meinke (com)

Ebersbach - Wenn draußen Stein und Bein friert, herrscht bei Christine Petermann Hochsaison. Die Kürschnerin bietet in ihrem Leder- und Pelzatelier in Ebersbach-Bünzwangen vor allem Kleidung für die kalte Jahreszeit an. Pelzmäntel und Felljacken, Westen und Mützen aller Art hängen und liegen in ihrem Atelier für die überwiegend aus den Kreisen Göppingen und Esslingen stammende Kundschaft bereit.

 

„Einen Pelz hab ich ewig, das ist eigentlich etwas fürs ganze Leben“, bringt die Fachfrau die Lebensdauer einer solchen Anschaffung auf den Punkt. Auch wenn die Moden kommen und gehen, lasse sich ein Pelz immer wieder auf den neuesten Stand bringen. Gerade dieses Modernisieren sei das Schöne an ihrem Beruf: „Wenn eine Kundin mit einem altmodischen Teil kommt, besprechen wir ihre Wünsche, und dann kann ich beginnen.“

Alte Nerzmäntel bekommen einen neuen Look

Für so manche Kundin habe sie den Familiennerz oder den alten Fuchsmantel wieder in ein aktuelles Kleidungsstück verwandelt. „Momentan trägt man ja die Ärmel ganz gerade oder am Ende sogar ein wenig schmaler“, erläutert die Ebersbacherin, die am Beispiel eines Nerzmantels aus den 1980er Jahren zeigt, wie viel Weite damals üblich war. „Hier werde ich einiges an Material entfernen müssen, aber dann ist das gute Stück wieder up to date“, erklärt Petermann lächelnd.

„Heute sollen die Felle dünn und weich sein und am besten wie Stoff fallen“, meint die Kürschnerin und fährt mit der Hand über einen kurzhaarigen dunkelgrauen Mantel, der bei genauerem Hinsehen einen leicht dunkelgrünen Schimmer aufweist, weil das Fell vor der Verarbeitung auch noch gefärbt wurde. Samtnerz nenne sich diese Oberfläche, bei der das Nerzfell kurz geschoren werde, bis es tatsächlich eine samtartige Anmutung erhält. Sehr gefragt seien solche Effekte. Auch ganz junge Frauen schneiten bei ihr im Atelier mit ererbten Stücken vorbei. So lasse sich eine Kundin gerade eine Persianerjacke, die von der Oma stammt, ändern. „Ich paspeliere alle Kanten, die Tascheneingriffe und den Kragen ganz dünn mit Leder und schon sieht die Jacke völlig anders aus, kündigt Petermann an. Wenn sie dann zum Verschließen statt der gebräuchlichen Pelzhaken einen Reißverschluss, wie jüngst für einen Herrn, verwende, verwandele sich so eine alte Jacke plötzlich in ein aktuelles und sportlich anmutendes Kleidungsstück.

Spezielle Nähtechniken und Werkzeuge

Petermann legt die schwarze Persianerjacke aus dem Fell des in Russland und Afrika verbreiteten Karakulschafes auf den Arbeitstisch und reißt auf der Innenseite beherzt den schwarzen Einlagenstoff heraus. Solche Materialien habe man früher großflächig auf die lederne Innenseite verklebt, damit sich das Leder nicht ausweite. Das sei heutzutage aber völlig überflüssig. Eine stabile Kürschnerfutterseide reiche völlig aus, meint Petermann und streicht anerkennend über die leicht farblich changierende Futterseide. Auch das Einfärben von Pelzen sei wieder in Mode gekommen, berichtet die Kürschnerin, die bereits hochrote und türkisblaue Pelze als besonders modisches Statement verarbeitet hat.

Ein besonders attraktives Farbenspiel zeigt auch die üppige Silberfuchsstola, die die Kürschnerin auf einer Schneiderbüste drapiert hat. Weil hier der Futterstoff noch nicht komplett verwahrt ist, kann Petermann die spezielle Nähtechnik demonstrieren, wobei sie das in schmale Streifen geschnittene Fuchsfell immer im Wechsel mit ebenfalls in schmalen Streifen geschnittenem Leder ergänzt hat. „Drehen Sie es mal um, fällt Ihnen etwas auf?“, fordert Petermann auf. Tatsächlich ist auf der haarigen Seite kein bisschen von den Nähten zu sehen, was erklärt, warum Felle immer auf der Lederseite genäht werden.

Die Maschinen stammen noch vom ehemaligen Arbeitgeber

Durch die Streifentechnik , die nur eine von mehreren Verarbeitungsmöglichkeiten von Fellen ist, wie Petermann versichert, bekomme der Pelz mehr Luft und Duftigkeit und verliere etwas von der ursprünglichen Schwere. Solche, für den Laien äußerst knifflig erscheinenden Arbeiten, erledigt die Kürschnerin behände an ihrer Pelznähmaschine.

Die meisten Maschinen stammten noch von ihrem früheren Arbeitgeber, dem Göppinger Pelzhaus Repky, das mangels Nachfolger vor rund zehn Jahren schließen musste, berichtet die Ebersbacherin, die ihre Lehrzeit bei Pelz-Fleischmann in der Esslinger Küferstraße absolviert hat. Nach dem Nähen werden die Nähte flach gedrückt, berichtet Petermann weiter und nimmt dazu den sogenannten Nahtroller zur Hand. Als wichtigstes Handwerkszeug gilt aber das Kürschnermesser. Und es ist erstaunlich, dass die auswechselbare Klinge bei der Demonstration durchs Leder fährt, als handle es sich um weiche Butter.

Seit dem Sprung in die Selbstständigkeit führt Petermann, abgesehen von den willkommenen Kundenbesuchen, ein eher einsames Berufsleben. Deshalb nutzt sie gern die Gelegenheit, sich mit einem befreundeten Kürschner auszutauschen und einmal im Jahr das Branchentreffen „Markt Days“ in Frankfurt zu besuchen, wo die Großhändler zum Einkauf bereitstünden. Auch wenn Pelze wieder mehr in Mode kommen, findet die größte Messe der Branche, die Mifur in Mailand, ohne Petermann statt, dazu sei ihr Betrieb dann doch ein wenig zu klein, fügt sie bedauernd hinzu.