Ebersbach - Unter den Füßen heißer Asphalt, über dem Kopf ein dichtes Dach aus Palmblättern – in einem abgelegenen Winkel der ehemaligen Tuchfabrik in Ebersbach befindet sich eine kleine Oase. Doch wer glaubt, dass diese Arecaceae, wie Palmen auch genannt werden, stets warme Temperaturen brauchen, der irrt gewaltig. Bis zu minus 24 Grad kann eine amerikanische Nadelpalme locker ab. Ihre Topfnachbarin, eine chinesische Hanfpalme, steht ihr kaum nach: Minus 17 bis minus 18 Grad seien kein Problem, sagt Johannes Niemeyer. Er ist Chef des Onlinehandels Südwestpalmen, der sich auf winterharte Exoten spezialisiert hat. Dort werden Gartenbesitzer fündig, die es gerne exotisch mögen.

 

Einen Geschäftsmann stellt man sich anders vor. Johannes Niemeyer wirkt eher wie ein Philosoph. „Wenn ich Lebewesen verkaufe, muss ich seriös beraten und dafür sorgen, dass das Lebewesen überlebt“, sagt der 39-jährige Tübinger. Dieses Credo führt dann schon auch mal dazu, dass ihm ein Geschäft durch die Lappen geht. Wie vor wenigen Tagen, als ihn ein Mann anrief und erklärte, dass 15 große Hanfpalmen in seinem Garten kaputt seien und er neue brauche. Johannes Niemeyer riet dem Mann, einfach mal abzuwarten. „Oft brauchen die Pflanzen nur Zeit“, sagt er. Weil er ein sehr feines Gespür hat, wenn einer Palme, einer Yucca oder auch einem Mammutbaum etwas fehlt, ist er auch als Ratgeber sehr gefragt.

Elterlicher Garten als Experimentierfeld

Sein umfassendes Wissen hat sich Johannes Niemeyer selbst angeeignet. Ursprünglich hatte der Spross einer Tübinger Architekten- und Ärztefamilie Architektur studiert. Doch dann zog es ihn vom Reißbrett weg zu den Pflanzen. Der elterliche Garten wurde zu einem Experimentierfeld. „Da haben mich dann schon viele komisch angeguckt“, erzählt er.

Doch letztlich war dieser Schritt nur konsequent. Johannes Niemeyer achtete schon als Kind sorgsam darauf, ja kein Lebewesen, sei es nun eine Ameise oder eine Pflanze, zu zertreten. In diesem Sinn erzieht er auch seine beiden kleinen Töchter. Die Ältere sei mit ihren fünf Jahren auch schon an Pflanzen interessiert, erzählt er. Da sie sich ein Zitronenbäumchen gewünscht hat und diese nun mal nicht winterhart sind, hat der findige Papa ein paar Zitronen an einen Olivenbaum gehängt - Problem gelöst.

Jede Pflanze sucht er selbst aus

Seit zwölf Jahren betreibt Johannes Niemeyer seinen Onlinehandel schon. Obwohl exotische Pflanzen immer gefragter seien, gebe es solche spezialisierte Firmen wie die seine nur sehr selten. „Das sind nur eine Handvoll Leute, die das machen“, sagt er. Bei der Auswahl seiner Pflanzen achtet er auf Qualität. Er reist durch ganz Europa, um nach schönen, gesunden Pflanzen Ausschau zu halten. Sobald er sie in Ebersbach ausgepackt hat, werden sie erst einmal gehegt und gepflegt, mindestens ein Jahr lang, oft länger. Außer Palmen verkauft Johannes Niemeyer auch Yuccas, Mammutbäume, Magnolien oder Olivenbäume, die ihn besonders faszinieren. „Die sind wie Monumente der Natur“, sagt er und deutet auf den knorrigen Stamm eines Olivenbaums. Auf 75 bis 90 Jahre schätzt er das Alter dieser Pflanze. „Was die schon alles gesehen hat“, sinniert er laut. „Die wurde in den 20er, 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gepflanzt.“

Nicht nur Gartenbesitzer aus ganz Deutschland kaufen bei Südwestpalmen ein. „Viele meiner Kunden kommen aus Italien oder auch Kroatien“, erzählt Johannes Niemeyer. Obwohl viele seiner großen Palmen ihren Preis haben, sind es aber nicht nur wohlhabende Leute, die bei ihm bestellen. Es gebe auch Pflanzen für den kleineren Geldbeutel, sagt er. Auch Prominente zählt er zu seinen Kunden, der Tierpark Hagenbeck etwa kauft bei ihm ein. Die Pflanzen dienen dem bekannten Hamburger Zoo als passende Kulisse für seine exotischen Tiere.