Die ersten 33 Bundeswehrsoldaten werden für ihren humanitären Einsatz im Kampf gegen Ebola in Westafrika geschult. Eindrücke aus einer besonderen Trainingseinheit.

Appen - Die Stahltür zur KfZ-Instandsetzungshalle der Marseille-Kaserne von Appen bei Hamburg öffnet sich. Beim Eintreten wirkt die Szenerie sofort bedrückend: ein Schlachthaus der Apokalypse, das ist der erste Gedanke beim Anblick der Menschen mit ihren langen weißen Schürzen, blauen Ganzkörperuniformen und schweren Gummistiefeln, in der Hand die Schläuche, mit denen sie ihr Gegenüber mit einer Desinfektionslösung abspritzen. „Diese Halle könnte auch in Monrovia stehen“, sagt der Presseoffizier Jürgen Bredtmann bei einem Tag der offenen Tür für Journalisten am Donnerstag. In der Tat: ein stickiges, schwüles Klima liegt im Raum, es riecht nach Chlor. Die Halle ist auf 25 Grad erwärmt worden, damit die 33 Soldaten und Zivilangestellten der Bundeswehr, die für ihren Ebola-Einsatz in Liberia fünf Tage lang trainiert werden, möglichst realitätsnahe Bedingungen vorfinden.

 

Langsam, langsam! Das ist das A und O bei der Entseuchung. Zuerst sprüht man sich gegenseitig ab, dann ziehen werden die Schutzanzüge aus Gummi ausgezogen. Der 47-jährige Soldat und Elektrotechniker Christoph – die Bundeswehr möchte zum persönlichen Eigenschutz keine Nachnamen nennen – streift sich wie im Zeitlupentempo den Overall herunter. Schweißflecken sind auf seiner Baumwollkleidung zu sehen. Bedächtig steigt Christoph dann aus den Stiefeln, rollt sich langsam die Handschuhe ab – der kritischste Moment.

Das Hinauskommen aus den Schutzanzügen sei viel schwieriger als das Hineinkommen, sagen die Ebola-Helfer. Ungefähr acht Minuten dauern der gesamte Dekontaminationsprozess und das Auskleiden. Christoph geht erleichtert ins Freie an die frische Luft, die Abdrücke seiner Schutzhaube haben rote Striemen in seinem Gesicht hinterlassen.

Entscheidung stieß bei Familie auf Unverständnis

Der jüngste Teilnehmer dieses ersten Lehrgangs in Appen ist ein 20-jähriger Mannschaftssoldat, Christoph ist der älteste: „Das ist so heiß unterm Schutzanzug, da steht einem das Wasser in den Stiefeln“, sagt er. Seine Entscheidung, sich als Freiwilliger für Afrika zu melden, ist klar begründet: „Ich habe hier das Gefühl, etwas Sinnvolles zu machen. Wenn wir nicht handeln, haben wir die Seuche doch bald vor unserer Tür.“ In seinem familiären Umfeld und im Bekanntenkreis sei seine Entscheidung „bei den meisten auf Ablehnung“ gestoßen, er habe Unverständnis erfahren, sagt der in einem Bundeswehrdienstleistungszentrum in Sachsen-Anhalt arbeitende Soldat. Er habe selbst ein „dumpfes Bauchgefühl“, räumt er ein. Andererseits kenne er Auslandseinsätze, viermal sei er mit der Bundeswehr im Kosovo und Afghanistan gewesen.

In den nächsten Wochen wird die Bundeswehr 160 Freiwillige aus ihren eigenen Reihen im Umgang mit Ebola und den schwerkranken Patienten schulen: Hygienefragen, Eigenschutz, Dekontamination, Landeskunde über Afrika. Auch um landesübliche Risiken geht es, die Kriminalität und den Umgang mit einer verängstigten Bevölkerung. Ein Erkundungsteam – die 33 ersten Lehrgangsteilnehmer von Appen – soll Anfang November nach Monrovia fliegen; das Team wird gemeinsam mit dem Roten Kreuz eine 100-Betten-Klinik aufbauen, das „Ebola-Treatment-Center“. 30 Deutsche und 270 Liberianer sollen dort arbeiten.

Nicht jeder Freiwillige ist geeignet

Etwa 3000 Anfragen für den Einsatz als Freiwillige gab es. Dass zunächst nur 250 „Menschen in der Bundeswehr“, wie man bei der Truppe sagt, auserwählt wurden, liegt an den hohen Anforderungen an Physis und Psyche für den Einsatz: „Nicht jeder Freiwillige ist geeignet. Es wäre unverantwortlich, jeden nach Monrovia zu schicken“, sagt der Brigadearzt Johannes Backus, der die Task Force Ebola leitet. Man habe viele zurückweisen müssen. Dabei könnten im Ebola-Gebiet viele Berufsgruppen Verwendung finden: Man benötige Ärzte, Infektionsspezialisten sowie Allgemeinmediziner, Pfleger und Krankenschwestern, aber auch Handwerker und Techniker sowie Ingenieure etwa für die Abwasserentsorgung, sagt Backus. Christoph – der Soldat aus Sachsen-Anhalt – soll sich beispielsweise um die Stromversorgung kümmern.

Mit der humanitären Mission in Liberia betritt die Bundeswehr gewissermaßen Neuland, weil sie dort als Partner des Deutschen Roten Kreuzes auftreten wird. Dem DRK obliegt die Führung des Einsatzes. Zunächst werden die Bundeswehrangehörigen für mindestens drei Monate in einem Hotel in der liberianischen Hauptstadt wohnen – mit Vollpension. Das Team reist übrigens unbewaffnet. Ob man später eine Containerstadt aufbaue, das werde noch geprüft, heißt es bei der Bundeswehr. Dirk Kamm, ein Katastrophenhelfer vom Roten Kreuz, ist felsenfest überzeugt davon, dass der Start der Mission in Liberia gelingen wird: „Aber wir wissen aus unseren Erfahrungen in Haiti von 2010, dass die sehr langen Einsätze ein Problem sein können.“ Nach acht bis neun Monaten gehe dem Personalnachschub oft die Luft aus. Und Westafrika sieht eher nach einem langen Einsatz aus.

Rettungskette für erkrankte Mitarbeiter

„Dass unsere Leute heil und gesund wiederkommen“, sei das oberste Ziel der Truppe, sagt der für Ausbildung zuständige Brigadegeneral Michael Traut. So sei eine „Rettungskette“ sichergestellt, damit im Falle des Falles ein erkrankter Mitarbeiter sofort nach Deutschland geholt werden kann. Die Bundeswehr hat für diesen Zweck 20 Transportisolatoren angeschafft, in denen infizierte Personen im Flugzeug sicher für andere ausgeflogen werden können. Natürlich wird den Ebola-Helfern der Bundeswehr, wie bei Auslandseinsätzen üblich, je nach Bedrohungs- und Risikolage auch ein Tageszuschlag bezahlt. Summen von 50 bis 120 Euro seien im Gespräch, sagt Traut, aber das müsse politisch entschieden werden. Wegen des Geldes aber, das sagen die Freiwilligen unisono, gehe bestimmt keiner nach Afrika. Wäre das die einzige Motivation, würde man den strapaziösen Einsatz wohl nicht lange aushalten, sagt der Soldat Christoph.

Es besteht die Chance, dass auch Ebola eines Tages überwunden wird. Von dem Gedanken ist zumindest die 36-jährige Bundeswehrärztin Claudia aus Hamburg beseelt. Sie ist eine der acht Frauen des ersten Lehrgangs in Appen. Sie habe „miterleben dürfen“, wie Deutschland vor Jahren auch Schweinegrippe und EHEC überstanden habe, sagt sie. Claudia, im Dienstrang eines Majors, sah sich in ihrer Eigenschaft als Infektiologin geradezu aufgerufen, nach Afrika zu gehen. „Ich hatte natürlich Bedenken wegen des Risikos, aber ich habe mich bewusst entschieden.“ Claudia ist ledig, aber sie weiß von Familienvätern in der Gruppe, die ihren Kindern erklären müssen, warum sie das Risiko tragen.

Zunächst gehen die Freiwilligen für vier bis sieben Wochen nach Monrovia. Es sei eine starke körperliche Belastung wegen der Arbeit in den Schutzanzügen, sagt Claudia: „Aber die Motivation in unserer Gruppe ist sehr hoch.“ Gefragt, wie es sein werde, wenn sie ein erkranktes Kind wegen der Infektionsgefahr nicht trösten und in den Arm nehmen könne, sagt die Ärztin: „Der Eigenschutz geht vor dem Fremdschutz. So etwas geht einem menschlich nah, aber wir müssen uns da beherrschen.“