Das passiert weltweit nur ganz selten: Ein Esel paart sich mit einer Zebrastute. Das Ergebnis daraus steht nun wohlpräpariert in einem Mainzer Museum: ein Ebra.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Mainz/Stuttgart - Ein Zaun hat einen liebestollen Esel auf dem Weg zu einer Zebrastute nicht stoppen können. Jahrzehnte später ist das ungewöhnliche Ergebnis der Romanze als Präparat in Mainz zu sehen. Ein Ebra. Der Kopf des Tieres ähnelt dem eines Esels, während die Beine wie bei einem Zebra gestreift sind.

 

Ebras (Vater Esel, Mutter Zebra) sind laut Josef Unger vom Bergtierpark Fürth-Erlenbach (Odenwald) eine absolute Seltenheit. „Das ist nachweislich nicht ganz so einfach“, sagt der Tierpfleger am Donnerstag (3. November) bei der Vorstellung des Präparats im Naturhistorischen Museum Mainz. Denn Zebrastuten seien sehr temperamentvoll und eitel. „Die nehmen nicht jeden.“

Zebrule, Zesel und Ebra aus der Familie der Zebroide

Kreuzungen zwischen Zebra und Esel werden Zebrule (von englisch „zebra“ und „mule“), Zonkey (von „zebra“ und „donkey“), Zesel oder Zebresel genannt, wobei der Vater ein Zebra ist. Fohlen einer Zebrastute sind aufgrund des aggressiveren Paarungsverhaltens der weiblichen Tiere noch sehr viel seltener als Zesel.

Das Ebra gehört zu den Zebroiden – Hybride innerhalb der Gattung Pferde aus Kreuzungen zwischen einem Zebra und einer anderen Pferdeart. Das Zebraweibchen wurde in dem hessischen Tierpark gezeugt und lebte dort 29 Jahre lang bis zu seinem natürlichen Tod im Jahr 2009. Dass es nun im Naturhistorischen Museum in Mainz stehe, gehe auf eine alte Abmachung zwischen dem Haus und dem Park zurück, erklärt Unger.

Das Ebra-Präparat ist nach Angaben der zoologischen Präparatorin des Museums, Bettina Henrich, deutschlandweit einzigartig. Vielleich sei es auch weltweit das einzige, sagte sie. Ihr selbst seien überhaupt nur drei Fälle von gezeugten Ebras auf der Welt bekannt.

Grolar und Pizzly

Auch der Bär, den ein Jäger 2010 in der westkanadischen Arktis vor die Flinte bekam, war ein zoologisches Kuriosum. Braune Beine und Tatzen wie ein Grizzly, dickes weißes Fell wie ein Polarbär. Grolar oder Pizzly nennen die Kanadier diese ungewöhnliche Kreuzung, von der bisher nur wenige Exemplare gesichtet wurden. Die Tiere sind eine Hybrid-Bildung, die aus der Paarung zwischen Eltern verschiedener Arten hervorgegangen ist: Mutter Eisbär, Vater Grizzly.

Betriebsunfall der Natur?

Lange Zeit dachte man, dass Seitensprünge im Tierreich eine Art Betriebsunfall der Natur seien. Hybrid-Individuen galten als seltene Ausnahme, die in der Evolution nicht vorgesehen war. Die Verpaarung verschiedener Arten war das Ergebnis menschlicher Zucht und nicht natürlicher Arterhaltung. In der Regel ist der Nachwuchs (zwischenartliche Hybride) steril und kann sich nicht fortpflanzen. Biologen haben ihnen deshalb in freier Wildbahn kaum Beachtung geschenkt.

Hinzu kommt: Hybride sind von ihrer Elternart kaum zu unterscheiden. Die morphologische Ähnlichkeit ist in der Natur so groß, dass man spezielle genetische Methoden benötigt, um sie zu identifizieren.

Erst nachdem Ende der 1980er Jahre molekulargenetische Verfahren auch in der Zoologie Anwendung fanden, zeigte sich, dass Kreuzungen unterschiedlicher Arten gar nicht so selten vorkommen wie angenommen. „Hybride sind kein Betriebsunfall der Evolution, sondern ein Nebeneffekt, der auftritt, wenn Arten entstehen“, erklärt Klaus Schwenk vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau.

Hoher Anteil an hybridisierenden Arten

Der Evolutionsbiologe schätzt, dass bis zu zehn Prozent aller tierischen Lebenformen sich mit fremden Arten kreuzen. „Im ganzen Tierreich gibt es viele hybridisierende Arten.“ Schwenk hat zusammen mit anderen Forschern sämtliche Veröffentlichungen zum Thema Hybride aus 60 Jahren untersucht – insgesamt 21 972 Publikationen. Das Ergebnis stellt die bisherige Lehrmeinung auf den Kopf.

Demnach gibt es in allen Tiergruppen einen hohen Anteil hybridisierender Arten. Anders als bei Säugetieren findet sich bei Vögeln, Amphibien und Reptilien nur eine geringe Sterilitätsrate. Kreuzungen zwischen Individuen unterschiedlicher Arten oder Entwicklungslinien sind bei Organismen also die Regel und nicht die Ausnahme.

Evolution und Hybrid-Tiere

„Hybridisierung kann die Evolution entscheidend beeinflussen“, betont der Biologe. Durch die Vermischung der Genome (Erbgut) könne es zur Ausbildung von Genotypen (genetischer Ausstattung) kommen, die unter Umständen besser an die Umweltbedingungen angepasst seien als die der beiden interagierenden Elternarten. So können beispielsweise verwandte Arten wie der Narwal und Belugawal die Grenzen ihrer eigenen Art durchbrechen und erfolgreich fruchtbare Hybride zeugen.

Nach Schwenks Angaben passt die Hybridisierung perfekt in die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882). Nicht der Stärkere überlebt, sondern derjenige, der sich den sich den wandelnden Umweltbedingungen am besten anpasst. „Wenn die Umweltfaktoren sich verändern wie momentan durch die globale Erwärmung, entstehen neue Selektionsmechanismen. Der Eisbär muss flüchten, weil sein Lebensraum schwindet. Er trifft auf den Grizzly, es kommt zur Überlappung von Arten.“

Der Pizzly könnte zur „genetischen Brücke“ zwischen Hybriden und Elternarten werden, erläutert Schwenk. Damit steht die Bären-Kreuzung nicht allein: Ganze Arten verdanken ihre Existenz dem Seitensprung. So vermuten Ornithologen, dass der Italiensperling eine Verschmelzung des Weidensperlings mit dem Haussperling ist.

Botanisches Prinzip

In der Botanik ist das Prinzip der Hybridisierung seit langem bekannt. Der Osnabrücker Botaniker Walter Bleeker sieht darin einen Garanten für eine „hohe genetische Variabilität“. Die Folge ist ein „hohes Evolutionspotenzial, da eine große Anzahl verschiedener Genotypen der Selektion angeboten wird“. In der pflanzlichen Hybrid-Zucht führt dieser Effekt zu deutlich mehr Vitalität und Leistungsfähigkeit. So können die Erträge etwa bei Mais durch Kreuzungen verdoppelt werden.

Ob es auch in der menschlichen Evolutionsgeschichte ähnliche Prozesse gab und Neandertaler-Hybride (eine Vermischung von Neandertaler und Homo sapiens) – existierten, ist umstritten. DNA-Analysen haben ergeben, dass die Erbanlagen des Neandertalers sich nur in geringem Maße von denen des heutigen Menschen unterscheiden.

Keine Angst vor Mischlingen

Befürchtungen, der Pizzly könnte in eine mutierte Mischlingsart aufgehen und die Überlebenschancen des Eisbären schmälern, teilt Schwenk nicht. Auch glaubt er nicht, dass sich beide Arten vermischen und ineinander auflösen könnten. Die Forderung von US-Forschern, die Bären-Kreuzungen zu töten, weil sie sonst die Artenvielfalt gefährden könnten, hält er für unverantwortlich. „Um Gotteswillen! Die Tiere dürfen auf keinen Fall umgebracht werden.“

Wie sich Kreuzung auf die Artentwicklung auswirkt, ist jedenfalls offen. „Es gibt Arten, die durch die Hybridisierung ihr genetisches Material erweitern. Genauso gibt es Beispiele dafür, dass dies negative Auswirkungen hat“, sagt Schwenk. „Man kann Hybride nicht über einen Kamm scheren.“