Edward Snowden kann in den Vereinigten Staaten kaum auf Gnade hoffen. Selbst die „Washington Post“, die für ihre Berichte über den NSA-Skandal den Pulitzer-Preis bekam, schreibt über den Enthüller: „Kein Pardon für Snowden!“

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die Zahl der Fans von Edward Snowden ist inzwischen sehr überschaubar. Das gilt zumindest für den gleichnamigen Filmhelden – die Hauptfigur in dem neuen Werk des US-Regisseurs Oliver Stone, das diese Woche in die Kinos kam. Der Streifen erzählt vom größten Spionageskandal der Nachkriegsgeschichte. Als Snowden den vor drei Jahren mit sei- nen Enthüllungen ins Rollen brachte, wurde er über Nacht zu einer Art Volksheld. Inzwischen ist die Flamme der Begeisterung fast erloschen – sofern die Reaktionen auf den Filmstart als Maßstab gelten dürfen. Stones Heldenepos läuft in drei Stuttgarter Kinos. Auf deren Facebook-Seiten finden sich am Tag nach der Premiere exakt drei Daumen, die für „Gefällt mir“ stehen.

 

„Der Makel der Helden von Oliver Stone ist ihre Makellosigkeit“, schreibt Verena Lueken, die Filmkritikerin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Der echte Snowden erscheint keineswegs mehr makellos. Er sei mittlerweile wohl ein Spion der Russen, hatte Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags in den Raum gestellt – allerdings keinerlei Beweise geliefert. Unter Sicherheitsexperten gilt dies aber durchaus als plausibel. Putin habe Snowden Asyl gewährt, weil er für ihn die Rolle eines „nützlichen Idealisten“ spiele, sagt ein hochrangiger Geheimdienstmann. Jedenfalls habe er einen „immensen Schaden“ für die USA angerichtet – Schaden in einer Dimension, wie es russische Spione nie gekonnt hätten.

US-Geheimdienstausschuss hält den Enthüller für einen Schwindler

Snowden sei „ein Rechtsbrecher, kein Held“, sagt auch Gerhard Schindler, bis vor wenigen Wochen Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND). Der Enthüller habe „der Sicherheit der westlichen Welt einen Bärendienst erwiesen“ und sei „zum Werkzeug der russischen Geheimdienste geworden“. Einen Bärendienst hat Snowden jedenfalls Schindler erwiesen. Der verlor seinen Job auch, weil ihm die Verantwortung angelastet wurde für die von Snowden offengelegte Spionagekooperation von BND und der amerikanischen NSA.

In seiner Heimat ist Snowden für viele alles andere als ein Held. Der Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses hat jüngst einen Bericht verfasst, der sich wie eine Anklageschrift liest. Darin wird der „enorme Schaden für die nationale Sicherheit“ betont, den Snowdens Indiskretionen verursacht hätten. Die überwältigende Mehrzahl der von ihm unterschlagenen Dokumente hätten zudem nichts zu tun mit Angriffen gegen die Ansprüche von Bürgern auf Schutz ihrer privaten Daten. Snowden habe vielmehr geheime Informationen offengelegt und damit die Sicherheit amerikanischer Truppen sowie „vitale Interessen im Kampf gegen Terroristen“ gefährdet. Seine Enthüllungen enthielten „serienmäßig“ Übertreibungen und Schwindel, heißt es weiter. Der Bericht wurde einstimmig von Republikanern und Demokraten gutgeheißen.

Debatte über Spionage „an Heuchelei nicht zu überbieten“

In der gleichen Tonlage verurteilen renommierte Medien den Verrat. Die nationale Sicherheit erfordere ein Mindestmaß an Geheimhaltung, schreibt die „Chicago Tribune“. Wer dies missachte, mache es den Feinden Amerikas einfacher zu siegen und zu überleben. Präsident Obama dürfe gegenüber Snowden „keine Gnade“ walten lassen – was ohnehin unwahrscheinlich ist. Auch die „Washington Post“ stellt den Enthüller an den Pranger. „No pardon for Edward Snowden“ ist ein aktueller Leitartikel betitelt. Immerhin zählte das Blatt zu den Zeitungen, die 2013 Snowdens Dokumente auswerten durften – und dafür sogar mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Ihre Gnadenlosigkeit begründet die „Post“ unter anderem mit dem Argument, dass durch das Ausspionieren massenhafter Telefondaten im Ausland keinem Amerikaner Schaden entstanden sei.

Dieser Spionage-Chauvinismus herrsche auch bei deutschen Geheimdiensten vor, beklagt Christian Flisek, Obmann der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss. Schutz genießen in deren Perspektive nur die Bürger des eigenen Landes, denen man durch Wahlen verpflichtet sei. „Alle anderen sind zum Abschuss freigegeben“, sagt der Sozialdemokrat. Deswegen sei die Debatte über den NSA-Skandal „an Heuchelei nicht zu überbieten“ gewesen.

Im Untersuchungsausschuss hat Snowden durchaus noch Fans. Grüne und Linke wollen mit einer Klage beim Bundesgerichtshof erzwingen, dass der NSA-Verräter doch noch als Zeuge gehört wird. Das hat die Koalitionsmehrheit bisher verhindert. Doch auch Union und SPD sind sich in der Frage nicht einig. Die Sozialdemokraten würden Snowden gerne wenigstens per Videokonferenz als Sachverständigen befragen. Ein entsprechendes Angebot seines Anwalts hat der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) bisher unbeachtet in der Schublade liegen gelassen.