Die Bürger wollen helfen. Ihr Engagement soll nicht durch komplizierte Zuständigkeiten gebremst werden. Deshalb tritt jetzt Gisela Erler, die Staatsrätin für Bürgerbeteiligung auf den Plan und entwickelt Hilfestellungen für Ehrenamtliche und für Kommunen.

Stuttgart - Die Flüchtlingsströme wecken eine Welle der Hilfsbereitschaft im traditionell ehrenamtlich stark engagierten Südwesten. Diese Aufbruchsenergie will Gisela Erler, die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung für die Zukunft nutzen. Nichts wäre ärgerlicher, als wenn sich hilfsbereite Menschen nach kurzer Zeit enttäuscht zurückzögen, weil ihre Angebote nicht angenommen würden. Gleichzeitig sollen ehrenamtliche und professionelle Strukturen sowie die zahlreichen unterschiedlichen Programme von Ministerien und Stiftungen besser aufeinander abgestimmt werden.

 

Deshalb hat Erler nun eine „ad-hoc-Gruppe“ zusammengetrommelt, um Hilfestellungen für Hilfsbereite und Wegweisungen etwa für Kommunen in der Flüchtlingshilfe zu geben. Effizientes Ehrenamt strebt die Gruppe an. Land, Kommunen und bürgerschaftliche Gruppen sollen verknüpft werden. „Es geht darum, Menschen, die etwas tun wollen, gezielt einzubinden, damit sie nicht mit Matratzen und Kleiderspenden durch die Straßen irren“, wählt Erler ein plakatives Beispiel.

Dabei sollen vorhandene Angebote vernetzt, optimiert und um neue ergänzt werden. Die Strukturen müssen gleichzeitig flexibel und dauerhaft sein. „Das Thema wird sich in den nächsten drei bis fünf Jahren nicht dramatisch reduzieren“, sagt Erler voraus. Das Flüchtlingsthema hat sich im Unterschied zu den Neunziger Jahren verändert. „Die meisten Flüchtlinge werden lange bleiben“, so die Staatsrätin.

Geld gezielt einsetzen

Das bringt neue Anforderungen und neue Angebote mit sich. Heute sei es wichtig, sofort Integrationsangebote zu machen; früh zu erkennen, was die Flüchtlinge können, um sie schnell in Arbeit zu vermitteln und frühzeitig die notwendige Sprachförderung anzubieten. Zu neuen Anforderungen kommen auch neue Fördertöpfe. „Es geht darum, das neue Geld gut und gezielt und nicht spontaneistisch und wirr übers Land zu schicken“, sagt Erler.

Wo gibt es was, darüber soll eine Handreichung informieren, die die Gruppe zusammen mit dem Städtetag schon im April oder im Mai vorlegen will. Der Leitfaden wendet sich sowohl an Kommunalverwaltungen als auch an Ehrenamtliche. Er antwortet auf Fragen des Versicherungsschutzes, wenn Ehrenamtliche mit Flüchtlingskindern einen Ausflug in den Zoo macht.

Bloß keine Bürgerversammlung

Die Gruppe will aber auch Kommunen helfen, ihre Angebote zu koordinieren und die Verwaltungen dabei unterstützen sich auf die neue Willkommenskultur einzustellen. Die ist nicht überall verbreitet. Erler denkt auch an Argumentationshilfen etwa für Bürgermeister, die sich mit der Frage konfrontiert sehen, ob die Migranten nun bevorzugt würden. Oder an organisatorische Tipps: „mache nie eine Bürgerversammlung, mache Formate, bei denen in kleinen Gruppen diskutiert wird. Das ist das A und O bei allen populistischen Themen“, rät Erler. Bei der Bürgerversammlung würden sich zwei, drei Agitatoren melden, die Mehrheit äußere sich dann nicht mehr. Auch so etwas soll sich in den Handreichungen finden. Zum präventiven Aspekt gehören zudem Tipps für Gegenstrategien, zum Beispiel wenn sich an einzelnen Orten Facebook-Gruppen gegen die Flüchtlingsunterbringung bilden.

Bereits Ende Januar oder Anfang Februar ist ein erstes Forum für Flüchtlingshilfe und Zivilgesellschaft geplant. „Wir wollen die Leute persönlich vernetzen“, sagt Erler. Geladen werden sollen die wichtigen Initiativen und auch die Kritiker. Erler ist es wichtig, „dass auch die struppigen Leute dabei bleiben und signalisieren, wo die Dinge schwierig laufen“. Geplant ist auch ein Projekt, das den Arbeitstitel „Extrablatt“ trägt. Damit wolle man nach Art eines Newsletters schnell Informationen unter die Leute bringen, gute Beispiele ebenso wie Problemfälle, sagt Erler.

Je besser die Verknüpfung, desto effektiver

Für die Staatsrätin steht fest „je besser wir die Zivilgesellschaft mit der Flüchtlingshilfe verknüpfen, umso effektiver wird das Ganze werden.“ Natürlich gebe es neue Hauptamtliche, neue Anlaufstellen in den Kommunen, neue Kräfte für Sprachförderung oder die psychologische Betreuung. „Das alles wird aber nicht ausreichen, wenn es nicht gelingt, das ehrenamtliche Gegenstück methodisch und zielführend damit zu verknüpfen“, sagt Erler und findet den Südwesten prädestiniert für die neue Effektivierung des Ehrenamts. „Baden-Württemberg hat eine große Tradition von Zivilgesellschaft. Das müsste das Land befähigen, mit den Themen besonders gut umzugehen“, zeigt sich Erler optimistisch.

Fast doppelt so viele Flüchtlinge erwartet

In Baden-Württemberg wird 2014 mit 26 000 Flüchtlingen gerechnet. Bis einschließlich September sind 16 000 angekommen. Im Jahr 2013 kamen knapp 14 000 Hilfesuchende.

In der Arbeitsgruppe zur Vernetzung von Zivilgesellschaft und Flüchtlingshilfe sollen die wesentlichen Akteure mitarbeiten. Dazu zählen das Sozialministerium, das Kultus-, das Integrations- und das Innenressort sowie das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft. Dazu kommen die kommunalen Landesverbände, Stiftungen und ehrenamtliche Organisationen wie die Flüchtlingshilfe und die Kirchen. Erler zeigt sich zuversichtlich, „dass wir das Netzwerk der wesentlichen Akteure zeitnah zusammenbringen“.

Der Newsletter zur Flüchtlingshilfe soll von Januar an online im Beteiligungsportal der Landesregierung erscheinen.