Der EU-Kommissar Günther Oettinger warnt bei der Abstimmung zur „Ehe für alle“ vor Diskriminierung. In der Südwest-Landesgruppe überwiegen die Gegner. Ein Stimmungsbild.

Berlin - Der Bundestag wird am Freitag über die Ehe für alle entschließen. Die Mehrheit, die sich vor allem auf Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei gründet, gilt als gesichert. Vorgesehen sind für die Debatte gerade mal 38 Minuten. Über die Art, wie der Beschluss auf der Zielgeraden der Wahlperiode nun im Galopp gefasst werden soll, herrscht in der Union noch immer große Verärgerung.

 

Die SPD hatte sich am Dienstag entschlossen, die „Ehe für alle“ doch noch zur abschließenden Beratung einzubringen, nachdem Bundeskanzlerin Merkel erklärt hatte, dass sie in dieser Frage eine Gewissensentscheidung sehe, also kein Fraktionszwang die Abgeordneten binden solle.

Während alle anderen Parteien voraussichtlich mit äußerst breiter Mehrheit für die Reform stimmen werden, wird die Union überwiegend gegen die Ehe für alle stimmen. Dennoch wird auch hier mit wenigen Dutzend Stimmen für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gerechnet. Vor der Abstimmung hat EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) seine Partei zu einem Ja für die Ehe für alle aufgefordert. „Es ist Zeit“, sagte er in einem Gespräch mit dem US-Magazin „Politico“. Er sei „überzeugt“, das Deutschland den Moment nutzen müsse. Europa sei eine Union der Werte, sagte Oettinger. Er fügte hinzu, dass es in einer solchen Union „keinen Platz für Diskriminierung gegen Gruppen von Menschen geben könne“.

Kaufmann ist es ein persönliches Anliegen

Der Widerstand gegen die Ehe für alle ist innerhalb der Unionsfraktion in der Südwest-Landesgruppe womöglich besonders stark ausgeprägt. Bei einer Umfrage unserer Zeitung unter allen 43 Mitgliedern haben nur zwei Parlamentarier ihre Zustimmung zur Reform angekündigt: Einer davon ist der Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann. „Als offen schwuler Abgeordneter, der seit mehr als 15 Jahren in einer festen Partnerschaft und seit nunmehr vier Jahren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, war und ist es mir persönlich ein Anliegen, für diesen Schritt zu kämpfen – auch innerhalb der CDU und der Unionsfraktion“, sagte Kaufmann.

Überraschender ist die Zustimmung des Landesgruppenchefs Adreas Jung. „Gerade als Christ“ treffe er diese Entscheidung, sagte Jung unserer Zeitung. „Wir sind alle Kinder Gottes und jeder Mensch ist gleich wertvoll – unabhängig von der ihm eigenen sexuellen Orientierung.“ Wer heiratet, übernehme Verantwortung für einen anderen Menschen und für das gemeinsame Leben. „Diese Bereitschaft stärkt unsere Gesellschaft – und das gilt auch für homosexuelle Partnerschaften.“

Kritik an dem „Schnelldurchlauf“

Das ist in Fraktion und Landesgruppe keineswegs die Mehrheitsmeinung. Er sei „bockelhart dagegen“, sagt der parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel (Wahlkreis Calw, Freudenstadt), „weil ich die Ehe für alle aus tiefster Überzeugung ablehne.“ Für ihn sei die Ehe „die Verbindung von Mann und Frau, wie es schon in der Bibel steht.“

Andere Abgeordnete wie Thorsten Frei (Schwarzwald-Baar), der Vize-Landesvorsitzende, argumentieren mit dem für sie nicht akzeptablem Hauruck-Verfahren. „Im Schnelldurchlauf“ solle ein Gesetz durch den Bundestag „geboxt“ werden, sagte Frei. Er verwies aber auch auf das Adoptionsrecht. „Ich finde, dass ein Kind das Recht auf einen Vater und eine Mutter haben sollte. Denn es ist auch dieses Partnerschaftsverhältnis, welches Kinder überhaupt erst ermöglicht.“ Deswegen sei er „gegen ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare“.

Ähnlich argumentiert auch Gabriele Schmidt (Waldshut). Für bestehe „keine Veranlassung, den Begriff Ehe auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften auszuweiten“. Der einzige große Unterschied in der rechtlichen Behandlung zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft bestehe in der nicht vorhandenen Möglichkeit einer gemeinsamen Adoption. „Diese lehne ich ebenfalls ab.“