Ein Hygiene-Experte glaubt, dass der deutsche Sprossenproduzent in Bienenbüttel doch an Ausbruch der Darmbakterien-Epidemie Ehec schuld war.

Berlin - Waren entgegen den Aussagen des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) doch hygienische Missstände schuld an dem schlimmen Ehec-Ausbruch im Mai und Juni? Diese Ansicht vertritt Martin Exner, der Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hatte die Ermittlungen gegen den Bienenbütteler Sprossenproduzenten bereits im Sommer eingestellt und ihm bescheinigt, alle Hygienevorschriften beachtet zu haben.

 

Der Biohof hat seitdem zwar wieder geöffnet, produziert aber keine Sprossen mehr. Auf seiner Website ist von einer Existenzkrise die Rede. Die Sprossenproduktion habe seit 30 Jahren bestanden und sich zum umsatzstärksten Betriebszweig entwickelt, heißt es dort. 2005 sei sogar eine neue Produktionshalle gebaut worden.

Hygienesituation nicht zufriedenstellend

Die kontrollierenden Behörden hätten dem Gärtnerhof "immer einwandfreie Hygienestandards bescheinigt". Das RKI, die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention, gab fortan einer kontaminierten Ladung Bockshornkleesamen aus Ägypten die Schuld an dem bisher folgenreichsten Ehec-Ausbruch.

Doch damit gibt sich der Bonner Hygieniker Exner nicht zufrieden. Wie er kürzlich auf dem Kongress "Gesunde Umwelt, gesunde Bevölkerung" in München berichtete, seien im Jahr 2009 insgesamt 10.500 Kilo an einen deutschen Zwischenhändler importiert worden, der Bienenbütteler Biohof habe davon aber nur 75 Kilo erhalten. "Warum ist es nur bei dem Gärtnerhof zu Ehec-Clustern gekommen?", fragt er.

Exner hatte sich am 9. Juni persönlich vor Ort umgesehen, gemeinsam mit Kollegen des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes (NLGA) - und kam zu anderen Ergebnissen als das Robert-Koch-Institut, das die dortige Hygienesituation im "New England Journal of Medicine" als "zufriedenstellend" bezeichnet hatte. "Vor dem Hintergrund meiner Begehung finde ich das unverständlich", kritisiert Exner.

Keine Reaktion auf Warnungen

Toiletten in einem Brunnenhaus, dessen Wasser zur Sprossenproduktion verwendet werde, seien "ein trinkwasserhygienischer Kardinalfehler", moniert der Experte - ebenso wie die Ausstattung mit nur einem Waschbecken, "das einen nicht unbedingt motiviert, die Hände zu desinfizieren". Der Brunnen sei den Behörden nicht bekannt gewesen und auch nicht mikrobiologisch untersucht worden.

Seinen Bericht hat Exner nach eigenen Angaben am 14. Juni an NLGA und RKI gesandt, aber keine Nachfragen erhalten. Auch auf seine "dringende Warnung", den Hof ohne detaillierte Prüfung wiederzueröffnen, habe niemand reagiert. Für den Ehec-Ausbruch in Frankreich aufgrund derselben Samencharge, bei dem 15 Personen erkrankten, vermutet Exner "gleiche Hygienefehler". Dort wurden die Sprossen von Kindergartenkindern hergestellt, die sehen sollten, wie die Pflanzen wachsen.