Ein Umbau des Steuerrechts für verpartnerte Homosexuelle ist höchst kompliziert und kann neue Ungerechtigkeiten schaffen. Die überfällige Neuregelung des Splittings wird die alte Diskussion neu entfachen, ob die Steuerregel noch zeitgemäß ist.

Stuttgart - Im Grunde können die Politiker zuwarten. Die Entscheidung zur Einbeziehung der homosexuellen Lebenspartnerschaften in das Ehegattensplitting will das Bundesverfassungsgericht erklärtermaßen noch in diesem Jahr treffen. Und es gibt wenige Karlsruher Urteile, die so vorhersehbar sind wie dieses: Das Splitting auch für verpartnerte Schwule und Lesben wird der Politik vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben werden.

 

Wer noch Zweifel daran hatte, sei an die Aussage des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle vom Montag erinnert: Die Grundsätze des Gerichts zu Gleichstellung von Homosexuellen seien bekannt. „Und aus solchen Grundsätzen folgen gewisse Konsequenzen.“ Das mag die Union bedauern und es ist – wie der nordrhein-westfälische CDU-Politiker Steffen Kampeter zu Recht anmerkt, eine neue Entwicklung, dass das Verfassungsgericht „Urteile per Pressestatement ankündigt.“ Aber es ist so.

Eine Neuregelung ist überfällig

Der ehemalige Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier ist ein gänzlich unverdächtiger Zeuge, denn er war einst gegen die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften. Damals aber, im Jahr 2002 , so sagt er, „sind die Würfel gefallen.“ Eine Besserstellung der Ehe im Vergleich zu den homosexuellen Partnerschaften sei nicht mehr möglich, der Gesetzgeber habe keinen Spielraum mehr.

Die Einbeziehung der Homosexuellen in das Splitting hat für Konservative eine hohe symbolische Bedeutung. Im praktischen Leben dürften die Auswirkungen eher gering sein. Das Splitting schafft Steuervorteile insbesondere dort, wo nur ein Partner berufstätig ist. Das ist bei Homosexuellen seltener der Fall als bei klassischen Ehen, wo sich häufig noch immer einer der Partner, meist die Frau, zumindest für einige Zeit der Kindererziehung widmet.

Die überfällige Neuregelung des Splittings wird die alte Diskussion neu entfachen, ob diese Steuerregel noch zeitgemäß ist. Kritiker bemängeln bekanntlich, dass der Splittingvorteil jene Paare privilegiert, bei denen nicht beide Partner berufstätig sind. Darüber hinaus würde die Abschaffung des Splittings dem Staat zu mehr Geld verhelfen. Die Abschaffung ist freilich einfacher gefordert als realisiert.

In der aktuellen Diskussion wird gerne vergessen, dass das Ehegattensplitting die Folge eines lange zurück liegenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1957 ist, mit dem mehr Steuergerechtigkeit hergestellt werden sollte.

Grundsätzlicher Umbau zum Familiensplitting?

Zuvor wurden Ehepartner nämlich im Ergebnis schlechte behandelt als Ledige. Es gab kein Splitting. Die Ehepaare wurden, wie heute auch, gemeinsam zur Steuer veranlagt, die Einkommen beider Partner wurden also zusammengezählt. Sie rückten folglich in der Progression weit nach oben und zahlten zusammen mehr Steuern als jeder für sich hätte zahlen müssen. Das war politisch auch so gewollt, um die Frauen am Herd zu halten. Nur wenn die Frau nicht erwerbstätig war, gab es keine Schlechterstellung. Die Nationalsozialisten hatten übrigens diese Regelung eingeführt, die Regierung Adenauer hatte sie übernommen. In der Weimarer Republik waren die Einkommen der beiden Ehepartner noch einzeln besteuert worden.

Die getrennte Veranlagung wäre theoretisch natürlich auch heute möglich, aber sie würde sich mit anderen Regeln des inzwischen höchst komplizierten Steuer- und Sozialrechts beißen und hätte ihrerseits verfassungsrechtliche Probleme – beispielsweise dann, wenn das Einkommen eines Partners unterhalb seines Grundfreibetrags liegt. Deshalb dreht sich die Diskussion der Experten auch nicht um eine schlichte Abschaffung des Splittings, sondern um komplizierte Regelungen wie eine Kappung des Steuervorteils oder einen begrenzten Ausgleich zwischen den Partnern. Folgerichtig wäre ein grundsätzlicher Umbau des Steuerrechts, der sich nicht mehr an der Ehe, sondern an den betreuten Kindern orientiert.